Shadow Guard: So still die Nacht (German Edition)
meine Hilfe bei Ihrem Haar? Vielleicht möchten Seine Gnaden, dass ein Bad eingelassen wird?«
»Nein, aber vielen Dank, Jane.« Mina nahm dem Mädchen das Tablett ab und schloss die Tür mit der Spitze ihres Schuhs. Sie stellte das Tablett auf den Sekretär.
»Hast du Hunger?«, fragte sie ermattet. Obwohl sie seinem Blick auswich, folgten seine Augen jeder ihrer Bewegungen wie ein Paar Lichtpunkte.
»Nein.«
Vielleicht hatte er bereits gegessen. Vielleicht hatte er Lucinda gegessen.
»Mina … ist alles in Ordnung mit dir?«
»Mir geht es gut.«
Er murmelte einen Fluch und erhob sich vom Bett, wobei er das Laken an seiner Hüfte raffte. »Mina.«
»Was?«, antwortete sie zu scharf.
Er verringerte die Entfernung zwischen ihnen. Das schwache Licht, das durch die Fenster kam, betonte jeden Muskel in seinen Armen, seiner Brust und seinem Bauch. Gewiss wusste er um seine Wirkung. Mina wich nicht zurück.
»Ich bin immer noch ich. Ich bin immer noch Mark.«
Ihr Herz drohte von all den Gefühlen, die sie zu bezähmen suchte, zu bersten. Endlich sah sie ihm in die Augen.
»Weißt du, dass ich meinem Vater nie geglaubt habe? Wie alle anderen dachte ich, er sei ein Narr, der ein närrisches Ziel verfolgte.« Sie stieß ein klägliches Lachen aus. »Aber, mein Gott, er hatte recht damit, an die Möglichkeit von Unsterblichkeit zu glauben. Sieh dich nur an. Hier bist du. Du hast mich gefunden. Du hast mich geheiratet … weil du an diese verwünschten Schriftrollen herankommen wolltest.«
»Ja«, sagte er schlicht.
»Warum?«
»Mein Leben hängt von ihnen ab.«
»Dein Leben? Dein unsterbliches Leben?«
»Ja, Mina.« Er nickte. »Jahrhundertelang war ich Mitglied einer Garde von Unsterblichen, die als die Schattenwächter bekannt sind. Vor sechs Monaten, während ich an der Jagd auf Jack the Ripper teilnahm …«
»Jack the Ripper?«, stieß Mina hervor und schlug eine Hand vor den Mund.
»Ja«, antwortete Mark. »Um ihn in seiner Welt zu bekämpfen, ließ ich mich in einen krankhaften Zustand bringen, der als transzendieren bezeichnet wird. Es ist eine langsame, voranschreitende Krankheit des Geists, ein Gebrechen, an dem normalerweise nur eine kleine Gruppe von Sterblichen leidet.«
»Sterbliche wie Jack the Ripper?«
»Ja.«
»Oh mein Gott.«
»Die Schattenwächter jagen solche Seelen, beenden ihr sterbliches Leben und überführen sie in ein sicheres Unterweltgefängnis. Ich stelle jetzt keine Gefahr für dich dar, Mina. Ich schwöre es. Aber ich weiß nicht, wie lange ich habe, bevor ich mich verändere. Bevor ich eine der Seelen werde, die ich einst gejagt habe.«
Sein Blick hielt sie fest. Er runzelte die Stirn, seine Miene war verschlossen. Er sah so ernst aus. Doch sein Geständnis machte ihr Angst.
»Deine Anfälle … sie sind ein Ergebnis dieses Verfalls?«
»Ja.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Aber ich werde mich erholen, Mina. Ich werde es. Die Schriftrollen enthalten das Wissen, das ich brauche.«
Für eine flüchtige Sekunde sah sie Verzweiflung hinter dem leuchtenden Blau seiner Augen aufflackern.
Minas Verstand war überfordert, ihre Gedanken verloren Schärfe. Sie versuchte, ihr Wissen und ihre Erfahrung mit den gegenwärtigen Ereignissen in Übereinstimmung zu bringen. Sie bemühte sich, ihre Fragen systematisch zu ordnen, aber ein Bild verfolgte sie: das von Lucinda mit ihren rollenden Augen.
»Wie ist Lucinda in all das verwickelt?«
»Ich schwöre dir, ich weiß es nicht.« Seine blauen Augen schauten ihr forschend ins Gesicht. »Unsere Beziehung war genauso, wie ich es dir erzählt habe, nicht mehr und nicht weniger. Ihr Erscheinen gestern Nacht war für mich ein ebenso großer Schock wie für dich. Ich nehme jedoch an, dass dunklere Kräfte sie auf ihre Seite gezogen haben, um hier in der Stadt für sie zu arbeiten.«
»Auf ihre Seite gezogen? Dunkle Kräfte?« Mina hob die Hand an die Schläfe. Ihr war schwindelig. »Das klingt vollkommen wahnsinnig.« Aber ihr Verstand führte ihr all die Merkwürdigkeiten der vergangenen Monate vor, und plötzlich schienen dunkle Kräfte eine durchaus plausible Erklärung zu sein.
Mark zuckte die Achseln. »Es gibt vieles in der Welt, von dem du wahrscheinlich nichts zu wissen wünschst. Ob Lucinda willig war oder lediglich eine Schachfigur für jemand anderen, kann ich noch nicht sagen, aber ich glaube, auf die eine oder andere Weise wurde sie wegen ihrer Nähe zu dir ausgewählt. Sie wurde dazu auserkoren, dich zu
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