Shadow Guard: So still die Nacht (German Edition)
Gesichtern verschwand. »Du hast Lucinda nicht getötet. Du hast mir erzählt, dass du sie in der Stadt verloren hast. Es sei denn, du hast mich belogen.«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Wer hat sie dann getötet?«
»Ich habe so meinen Verdacht.«
»Es gibt mehr wie dich dort draußen, nicht wahr? Mehr … Unsterbliche?«
»Ja.«
»Wie viele?«
Er zuckte die Achseln. »Nicht mehr so viele, wie es früher einmal gab. Die meisten bleiben innerhalb der geschützten Grenzen des Inneren Reichs.«
»Das Innere Reich …«, flüsterte sie.
»Eine andere Dimension der Existenz, hier auf Erden. Es ist wunderschön dort.«
Mina, die erschöpft wirkte, presste ihre behandschuhten Fingerspitzen an die Schläfen. »Aber du bist hier, in dieser Dimension, um … Seelen zu jagen? Wie hast du sie noch genannt?«
»Transzendierende Seelen. Ja. Böse Seelen. Verderbte Seelen. Gefährliche Sterbliche, die nichts Geringeres verdienen als den ewigen Tod.«
Sie sah ihn gelassen an. »Und wenn du die Schriftrollen nicht findest …«
»Das ist richtig.« Er nickte. »Dann werde ich am Ende einer von ihnen werden. Aber das wird nicht passieren, denn …«
»Dein Wunsch soll dir gewährt werden«, unterbrach sie ihn leise.
»Welcher Wunsch ist das?« Im Moment war sein Wunsch der, dass sie ihn wieder so ansehen würde, wie sie es zuvor getan hatte. Nicht auf diese kühle, distanzierte Art, mit der sie ihn gegenwärtig betrachtete. Ihre dunkle, schickliche Kleidung verspottete ihn förmlich, sie verbarg kaum ihre weiche Haut und ihre femininen Kurven, all das also, was er so sehr begehrte. Auf diesem engen Raum quälte ihr zarter Duft seine Nase, verhöhnte ihn, dass er sie nur anschauen und nicht berühren durfte.
Sie streckte die Hände aus und richtete ihren Hut neu. »Ich habe keine Ahnung, wo mein Vater ist, aber … ich bin mir sicher, mit dir als Köder wird er irgendwann auftauchen. Ich, die ich an den Zehen über einer Feuergrube aufgehängt bin? Nein.« Sie lachte auf, tief in der Kehle, obwohl kein Humor ihre braunen Augen erhellte. »Aber du, ja. Keine Bange. Ich bin mir sicher, es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Und was dann? Sobald wir ihn gefunden haben?«
Sie faltete die Hände im Schoß. »Ihr zwei könnt beide auf und davon gehen und tun, was immer ihr wünscht. Schriftrollen lesen. Artefakte aufspüren. Die Welt retten durch euer geteiltes Wissen. Einander bewundern. Es schert mich nicht. Nur ihr beiden.«
»Mina …«
Sie schüttelte den Kopf, ein Hinweis, dass sie nicht hören wollte, was er vielleicht zu sagen hatte. »Nur damit ihr beide mich in Ruhe lasst.«
Er versteifte sich und schloss die Augen. »Nein.«
»Ich habe vollauf genug Abenteuer für ein Leben gehabt, vielen Dank, und ich bin fertig damit. Ich habe nicht um dies hier gebeten. Nicht um dich gebeten . Ich will einfach … ja, ein Leben. Ein stumpfsinniges, glückliches kleines Leben.«
»Ich werde dich nicht in Ruhe lassen«, antwortete er hart. »Ich habe dich gestern geheiratet.«
Ein plötzlicher Tränenschleier ließ ihre Augen heller erscheinen. »Sag das nicht.«
Mark konnte nur Erleichterung empfinden, als er ihre Tränen sah – Erleichterung, dass sie irgendetwas für ihn empfand, selbst wenn es Kummer war.
Mit einem verärgerten Stirnrunzeln blinzelte sie die Tränen weg und wischte sich mit einem Finger über die Augenwinkel. »Oh, verflixt, du hast mich dazu gebracht zu weinen. Ich bin nicht die Art Frau, die weint.«
»Warum weinst du dann?«
»Sieh mich nicht so an.«
Mark saß steif auf der Bank, die Schultern hängend und seinen Hut in den Händen. »Du hast jedes Recht, wütend zu sein, Mina. Ich habe dich belogen.«
»Du missverstehst das.« Sie konzentrierte sich auf die Decke der Kutsche, direkt über seinem Kopf. Aber dann fiel ihr Blick auf sein Gesicht. »Ich bin nicht wütend. Wie kann ich das sein? Ich habe meinen Anteil an Lügen erzählt, wie kann ich also ein Urteil über dich fällen, weil du das Gleiche getan hast? Mir ist bewusst, dass du all diese ungeheuren Anstrengungen, dich mir zu nähern, nicht auf dich genommen hättest, wenn die Schriftrollen für dich nicht so wichtig wären.«
»Nein, du bist mir wichtig!«
Sie atmete aus und holte mehrmals tief Luft. »Bitte verstehe, dass ich, obwohl ich sehr … beeindruckt von dir bin« – sie schenkte ihm ein klägliches Lächeln –, »geblendet war … aber …«
»Aber was, Mina?«
Eine einsame Träne rann über ihre Wange. »Ich habe
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