Shadows Lost (Vampirkurzgeschichte) (German Edition)
wäre es an deiner Stelle nicht. Aber es gibt einen Grund, warum ich mit dir reden muss. Du bist eine Abtrünnige und ein Kind von Annicius’ Blut. Beides spielt eine wichtige Rolle. Ich bitte dich, mir zu vertrauen und zuzuhören.«
»Dann fang einfach an«, antwortete Cathrine. In Gedanken fügte sie jedoch dazu: Aber Vertrauen muss man sich erst verdienen.
»Warum suchen wir uns nicht einen gemütlicheren Ort?«, fragte Shamash und lächelte galant.
»Ich finde es sehr schön hier«, konterte sie.
»Na schön«, lenkte er ein und schaute sich um. »Dann lass uns einen kleinen Spaziergang machen. Das Wäldchen dort vorne eignet sich hervorragend.« Er trat zwei Schritte zurück und bot Cathrine seinen Arm an.
Eine Viertelstunde später lief Cathrine an Shamashs Seite einen kleinen Trampelpfad entlang. Hier ging sie oft nachts alleine spazieren. Die Dunkelheit und die Stimmen der nachtaktiven Tiere erinnerten sie immer an frühere Zeiten. An eine Zeit, in der noch alles einfacher gewesen war. Aber jetzt, in Gesellschaft eines alten Schattenvampirs, fühlte sie sich eingeengt und verwundbar. Und sie war auf der Hut. Nicht einmal das Wissen, dass sie Rabisus Blut getrunken hatte, machte sie glücklich, denn damit hatte sie sich unbeabsichtigt verwundbarer gemacht als nötig.
Sari folgte ihnen in gebührendem Abstand.
»Du fragst dich sicherlich, warum ein Schattenvampir wie ich ein Priester der Nuskuanhänger ist«, sagte Shamash im gleichen Moment, als Cathrine ihn fragen wollte. »Dazu muss ich ein wenig in die Vergangenheit schweifen. Ich bin genauso alt wie Annicius. Ich kenne ihn besser als jeder andere. Denn Annicius Natalis ist nicht mein Schöpfer … er ist mein Bruder.«
»Du lügst! Das gibt es nicht!«, brauste Cathrine augenblicklich auf, blieb stehen und funkelte Shamash an, als hätte er ihr persönlich eine Ohrfeige verpasst.
»Ich lüge nicht«, bedeutete er sanft, als wäre nichts gewesen. »Höre mich an, danach kannst du immer noch entscheiden, ob ich die Wahrheit spreche oder ob ich in deinen Augen ein Lügner bin. Lass uns weiter gehen.«
Verdutzt sah sie ihn an. Aber ihre wachsende Neugier gewann schnell wieder die Oberhand, sie wollte unbedingt den Grund für das Gespräch erfahren. So nickte sie schweigend und lief an seiner Seite schließlich weiter.
»Sehr schön«, kommentierte er ihre stumme Zustimmung. »Dann möchte ich auch gleich zum Punkt kommen. Ich bin wahrhaftig Annicius’ Bruder. Meine Existenz hat er immer geheim gehalten. Rabisu ist unser beider Vater, aber es gab von Anfang an einen großen Unterschied zwischen uns. Auch mich hat Rabisus Blut in einen Schattenvampir verwandelt, doch sein dämonisches Blut hat nie meine Seele vergiftet. Ich strebte auch niemals nach Macht, so wie mein Bruder. Lange Rede … kurzer Sinn … für Annicius bin ich seine größte Bedrohung. Schon lange sucht er mich, so, wie ich ihn suche. Nur meine Suche war erfolgreicher als seine. Er kennt meine Rolle bei den Kriegern des Neumondes und verabscheut, was ich getan habe. Anfänglich hatte ich es sehr schwer, meine Position als Hohepriester zu behaupten, doch mittlerweile bin ich ihre größte Hoffnung. Ich habe und werde für immer mein unsterbliches Leben dem Gott des Neumondes widmen.«
Es dauerte einen Moment, bis Cathrine den Inhalt seiner Worte verdaut hatte. Es fiel ihr sichtlich schwer, sie zu glauben. In ihrem Kopf überschlug sich alles. Und doch schien es möglich und sogar plausibel. Sie erinnerte sich schwach an ein Gespräch mit ihrem Schöpfer zurück. Damals hatte er ihr von einem abtrünnigen Vampir erzählt und sie vor ihm gewarnt. Angeblich hätte er mit seinen Taten Rabisu verraten und verkauft. Er erzählte ebenfalls, dieser Vampir wäre untergetaucht und niemand wüsste, wo er sich aufhielt. Aber wenn er ihn eines Tages finden würde, würde er die Schande für immer vom Erdboden tilgen. Das hieß dann wohl, er hatte von Shamash gesprochen.
»Und was willst du jetzt von mir?«
»Eine berechtigte Frage«, gab Shamash zu und blieb stehen. »Du bist ein Kind meines Bruders. Und du bist in seinen Augen eine Abtrünnige. Ich weiß sehr viel von dir, sogar von deiner Zeit als Vampirjägerin. Du und der Vampirjäger Josua, ihr wart …«
»Du kennst Josua?«, unterbrach sie ihn überrascht. Schon seit Jahrzehnten hatte sie seinen Namen nicht mehr gehört, selbst nicht einmal mehr gewagt, an ihn zu denken. Genauso lange hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Bei
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