Shannara I
und als die ersten goldenen Strahlen über die Berge im Osten fluteten, weckte er die anderen aus ihrem friedlichen Schlaf. Sie standen hastig auf und schlangen ein Frühstück hinunter, während sie sich in der noch kühlen Luft des sonnigen Tages warmzuhalten versuchten. Sie packten ihre Sachen und bereiteten ihren Abmarsch vor. Jemand fragte nach Allanon, und Flick erwiderte schläfrig, der Historiker sei kurz nach Mitternacht aufgebrochen, ohne ein Wort zu sagen. Niemand wunderte sich.
Eine halbe Stunde später war die Gruppe unterwegs nach Norden durch die Wälder des Wolfsktaag, in der gewohnten Reihenfolge. Höndel hatte seinen Platz allerdings dem erfahrenen Menion Leah überlassen, der sich mit der Gewandtheit einer großen Katze durch das Unterholz bewegte. Höndel empfand einen gewissen Respekt für den Prinzen von Leah. Mit der Zeit würde dieser als Waldläufer nicht zu übertreffen sein. Es bedurfte nur noch der Aneignung einiger Fertigkeiten, und dafür gedachte der schweigsame Zwerg zu sorgen.
Eine beunruhigende Einzelheit erweckte die Aufmerksamkeit Höndels, obwohl sie seinem Begleiter völlig entging. Die Fährte zeigte keine Spuren des Mannes, der erst vor Stunden hier gegangen war. Obwohl Höndel den Boden sorgfältig absuchte, fand er nicht den Ansatz einer menschlichen Fußspur. Die weißen Stoffstreifen tauchten regelmäßig auf, wie Allanon es versprochen hatte, aber von seinem Vorüberkommen war nichts mehr zu bemerken. Höndel kannte die Geschichten über den rätselhaften Wanderer und hatte gehört, daß er ungewöhnliche Kräfte besaß. Er wäre aber nie auf den Gedanken gekommen, der Mann sei in der Lage, seine Spur gänzlich verwischen zu können. Der Zwerg konnte es nicht begreifen, beschloß aber, das für sich zu behalten.
Balinor, der wieder als letzter den Zug beschloß, dachte ebenfalls über den geheimnisvollen Mann aus Paranor nach, den Historiker, der so viel wußte, was anderen nie in den Sinn gekommen, den Wanderer, der überall gewesen zu sein schien und von dem man doch so wenig zu berichten verstand. Er kannte Allanon schon seit vielen Jahren, während er im Reich seines Vaters aufgewachsen war, besaß aber keine deutliche Erinnerung an ihre Begegnungen. Die weisen Männer in allen Ländern kannten Allanon als Gelehrten und Philosophen ohne seinesgleichen. Andere kannten ihn nur als Reisenden, der mit gutem Rat nicht geizte und eine Art grimmigen klaren Menschenverstands besaß, dem Irrtümer nicht nachzuweisen waren. Balinor hatte von ihm gelernt und zu ihm ein Vertrauen gefaßt, aus dem ein beinahe blinder Glaube geworden war. Trotzdem war ihm der riesige schwarze Wanderer stets ein Rätsel geblieben, und beinahe zufällig ging ihm auf, dass er in der ganzen Zeit keine Anzeichen des Alterns an ihm hatte wahrnehmen können.
Der Weg führte wieder aufwärts und wurde schmaler, als sich die hohen Bäume und das Dickicht wie eine Wand um die Wanderer schlossen. Menion hatte sich an die Stoffstreifen gehalten und zweifelte nicht, auf dem richtigen Weg zu sein. Es war beinahe Mittag, als der Weg sich unerwartet gabelte. Menion blieb erstaunt stehen.
»Das ist seltsam. Eine Gabelung und keine Markierung - ich kann nicht begreifen, warum Allanon uns hier keinen Hinweis hinterlassen haben sollte.«
»Es muß irgend etwas damit geschehen sein«, meinte Shea grübelnd. »Welchen Weg nehmen wir?«
Höndel suchte den Boden ab. Auf dem Pfad, der zum Grat hinaufführte, sah man Spuren geknickter Zweige und abgefallener Blätter. Auf dem unteren Weg gab es dagegen Fußspuren, wenn auch sehr undeutliche. Instinktiv wußte er, dass Gefahr auf einem, wenn nicht auf beiden der Wege drohte.
»Gefällt mir nicht«, knurrte er. »Da ist etwas nicht in Ordnung. Die Hinweise sind wirr, vielleicht mit Absicht.«
»Vielleicht war das Gerede, das Land hier sei tabu, doch nicht so falsch«, sagte Flick trocken und setzte sich auf einen umgestürzten Baum.
Balinor kam heran und besprach sich mit Höndel; der Zwerg gab zu, daß es über den unteren Weg schneller gehen würde. Aber nichts deutete darauf hin, welchen Weg Allanon genommen hatte. Schließlich warf Menion die Hände in die Luft und verlangte eine Entscheidung.
»Wir wissen alle, daß Allanon hier nicht weitergegangen wäre, ohne einen Hinweis zu hinterlassen, also muß mit den Zeichen entweder etwas geschehen oder Allanon etwas zugestoßen sein. Wir können aber nicht hier sitzenbleiben. Er hat gesagt, wir wollten uns am
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