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Shannara II

Titel: Shannara II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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er einen Seufzer der Erleichterung aus. Der Ellcrys schien unverändert. Vollendet in seiner Gestalt reckte sich der silberweiße Stamm himmelwärts, und über ihm spannte sich in sanfter Wölbung ein Netzwerk sich verjüngender Äste und Zweige, deren breite, fünfzackige Blätter blutrot leuchteten. Am Fuß des Baumes wucherten Streifen grünen Mooses in Rissen und Spalten der glatten Borke, zogen sich durch das Silberweiß wie smaragdgrüne Bäche, die einen Berghang hinunterschießen. Keine Wunden entstellten die schönen Linien des Stammes, kein Ast war geknickt oder gebrochen. So vollendet schön, dachte er. Und wieder begutachtete er aufmerksam den Baum, konnte jedoch kein Anzeichen der Krankheit wahrnehmen, die er befürchtet hatte.
    Die anderen gingen davon, um die Geräte herbeizuholen, welche sie zur Pflege des Baumes und der ihn umgebenden Gärten brauchten. Als auch Lauren gehen wollte, hielt Jase ihn zurück.
    »Möchtest du heute den Morgengruß sprechen, Lauren?« fragte er.
    Lauren dankte ihm stammelnd vor Überraschung. Eigentlich wäre die Reihe an Jase gewesen, den Morgengruß zu entbieten; doch er schien die Hoffnung zu hegen, er könne Lauren damit aufheitern, wenn er ihm diese Aufgabe übertrug.
    Lauren trat unter das ausladende Dach der Zweige und legte seine Hände auf den glatten Stamm, während die anderen sich etwas abseits versammelten, um den Morgengruß zu sprechen. Erwartungsvoll blickte er gen Himmel, hielt Ausschau nach dem ersten Sonnenstrahl, der den Baum erleuchten würde.
    Doch beinahe in demselben Moment wich er entsetzt zurück. Die Blätter unmittelbar über ihm waren übersät mit dunklen Flecken. Eine tiefe Beklommenheit übermannte ihn. Nun sah er auch an anderen Stellen Flecken, dunkle Flecken überall im Laub des Baumes. Das war keine Täuschung, hervorgerufen durch das trügerische Spiel von Licht und Schatten. Das war Wirklichkeit.
    Mit einer heftigen Bewegung winkte er Jase und wies auf die fleckigen Blätter, während die anderen näher kamen. Sie schwiegen, so wie es das Ritual zu dieser morgendlichen Stunde gebot, doch Jase entfuhr ein nur mühsam unterdrückter Aufschrei des Schreckens, als er sah, wie groß der Schaden schon war. Langsam schritten die beiden jungen Männer um den Baum. Überall entdeckten sie jetzt Flecken, von denen manche noch kaum sichtbar waren, während andere sich schon so weit ausgebreitet hatten, daß das ehemals leuchtende Blutrot der Blätter wie geronnen wirkte.
    Ganz gleich, wie er zu der Legende stand, die sich um den Baum rankte, Jase war zutiefst erschrocken, und sein Gesicht spiegelte seine Beunruhigung wider, als er zurücktrat, um sich flüsternd mit den anderen zu beraten. Lauren wollte sich ebenfalls zu ihnen gesellen, doch Jase schüttelte heftig den Kopf, während er zum Wipfel des Baumes hinaufdeutete. Die ersten Strahlen der Morgendämmerung hatten die obersten Zweige beinahe erreicht.
    Lauren kannte seine Pflicht. Ganz gleich, was geschah, die Erwählten mußten dem Ellcrys auch an diesem Tag den Morgengruß entbieten, so, wie das seit der Gründung ihres Ordens Tag um Tag erfolgt war.
    Behutsam legte er seine Hände auf die silberne Borke, und die Worte des Morgengrußes formten sich schon auf seinen Lippen, als ein schlanker Ast des uralten Baumes sich leicht abwärts neigte und seine Schulter berührte.
    »Lauren!«
    Der junge Elf fuhr beim Klang seines Namens heftig zusammen. Doch niemand hatte gesprochen. Der Laut war durch seinen Geist gedrungen, die Stimme kaum mehr gewesen als ein schemenhaftes Bild seines eigenen Gesichts.
    Der Ellcrys hatte ihn angesprochen!
    Lauren hielt den Atem an, während er den Kopf wandte, um einen flüchtigen Blick auf den Zweig zu werfen, der auf seiner Schulter ruhte. Dann wandte er sich hastig wieder ab. Verwirrung und Bestürzung übermannten ihn. Nur einmal bisher hatte der Baum zu ihm gesprochen - am Tag seiner Erwählung. Auch damals hatte er seinen Namen ausgesprochen; er hatte ihrer aller Namen genannt. Es war das erste- und letztemal gewesen. Seitdem hatte er nie wieder die Worte an einen von ihnen gerichtet. Außer an Amberle, doch Amberle gehörte nicht mehr zu ihnen.
    Er warf rasch einen Blick auf die anderen. Sie starrten ihn an, verwundert und neugierig, daß er so plötzlich innegehalten hatte. Der Zweig, der auf seiner Schulter ruhte, glitt abwärts, um ihn lose zu umfangen, und Lauren zuckte unwillkürlich zusammen bei seiner Berührung.
    »Lauren! Ruf die Erwählten zu

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