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Shannara V

Titel: Shannara V Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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folgte, endete am nördlichsten Rand der Gärten auf einem Vorgebirge, das über ihrem Heim aufragte. Die Palastfenster waren dunkel, denn alle schliefen. Alle außer ihr. Darunter lag die Stadt, Ansammlungen von Häusern und Geschäften, die sich unter den Schutz des Keel duckten wie ängstliche Tiere, die sich in ihre Höhlen kauern. Nichts bewegte sich, als ob die Angst jede Bewegung unmöglich machte, als ob man sich durch Bewegung verraten könnte. Sie schüttelte traurig den Kopf. Arborlon war eine Insel, die von Feinden umgeben war. Dahinter, im Osten, ragte Killeshan über der Stadt empor, ein großer zerklüfteter Berg, der während der Jahrhunderte bei jedem Ausbruch durch das Lavagestein neu geformt worden war, ein bis vor zwanzig Jahren untätiger, jetzt aber lebendiger und unruhiger Vulkan. Im Norden und im Süden lauerte dicht und undurchdringlich der Dschungel, der sich in einem Gewirr von Grün bis zu den Küsten des Meeres hin erstreckte. Westlich, unterhalb der Hügel, auf denen Arborlon ruhte, lag der Rowen und dahinter die Wand des Blackledge. Nichts davon gehörte den Elfen. Einst hatte ihnen die ganze Welt gehört, vor der Ankunft der Menschen. Einst hatte es keinen Ort gegeben, den sie nicht hatten besuchen können. Selbst zu Zeiten des Druiden Allanon, vor fast genau dreihundert Jahren, hatte das ganze Westland noch ihnen gehört. Jetzt waren sie auf diesen kleinen Raum beschränkt, von allen Seiten bedrängt, gefangen hinter der Mauer ihrer schwindenden Magie. Sie alle, alle, die übriggeblieben waren, wie in einer Falle gefangen.
    Sie schaute hinaus in die Dunkelheit jenseits des Keel und stellte sich im Geiste vor, was dort wartete. Sie überdachte einen Augenblick lang die Ironie des Ganzen - die Elfen waren zu Opfern ihrer eigenen Magie geworden, zu Opfern ihrer eigenen klugen, in die Irre führenden Pläne und von Ängsten, die niemals hätten beachtet werden dürfen. Wie hatten sie so dumm sein können?
    Weit unterhalb der Stelle, an der sie stand, fast am Ende des Keel, wo er unter die gehärtete Lava irgendeines früheren Ausbruchs reichte, war ein plötzliches Aufflackern von Licht zusehen - ein Aufflammen, dem eine schnelle, gleißende Explosion folgte. Und ein Schrei. Es waren kurze Rufe zu hören und dann Stille. Ein weiterer Versuch, die Mauern zu überwinden, und ein weiterer Tod. Es war ein allnächtliches Vorkommnis, jetzt, wo die Lebewesen mutiger wurden und die Magie weiter nachließ.
    Sie schaute sich um. Sie sah, wie sich die obersten Zweige des Ellcrys über die Bäume der Gärten erhoben, wie ein lebender Baldachin. Der Baum hatte die Elfen so lange vor so vielem beschützt. Er hatte erneuert und wiederhergestellt. Er hatte Frieden vermittelt. Aber nun konnte er sie nicht mehr beschützen, nicht gegen das, was sie jetzt bedrohte.
    Nicht gegen sich selbst.
    Sie ergriff trotzig den Ruhkstab und fühlte die Magie darin wogen. Es war ein Gefühl der Wärme an ihrer Handfläche und ihren Fingern. Der Stab war dick und knorrig und auf hellen Glanz poliert. Er war aus schwarzem Walnußholz gehauen und mit der Magie ihres Volkes getränkt. An seiner Spitze befand sich der Loden, weiße Helligkeit vor der Dunkelheit der Nacht. Sie konnte sich selbst in seinen Facetten gespiegelt sehen. Sie konnte sich selbst hineinreichen sehen. Der Ruhkstab hatte den Herrschern von Arborlon mehr als ein Jahrhundert lang Kraft gegeben.
    Aber auch der Stab konnte die Elfen nicht mehr beschützen.
    »Cort?« rief sie leise.
    Der Leibgardist materialisierte sich neben ihr.
    »Bleibt einen Moment bei mir stehen«, sagte sie.
    Sie schauten schweigend über die Stadt. Die Königin fühlte sich unsagbar allein. Ihr Volk war von der Auslöschung bedroht. Sie sollte etwas tun. Irgend etwas. Was, wenn sich die Träume irrten? Was, wenn die Visionen von Eowen Cerise trogen? Das war selbstverständlich noch nie geschehen, aber es stand so vieles auf dem Spiel! Ihr Mund verhärtete sich ärgerlich. Sie mußte glauben. Es war entscheidend, daß sie glaubte. Die Visionen würden wahr werden. Wie versprochen würde das Mädchen zu ihnen kommen. Blut ihres Blutes. Das Mädchen würde erscheinen.
    Aber würde das genügen?
    Sie schüttelte die Frage ab. Sie durfte sie nicht zulassen. Sie durfte ihre Verzweiflung nicht zulassen.
    Sie wandte sich um und ging rasch durch die Gärten zurück zu dem Weg, der wieder hinabführte. Cort blieb einen Moment bei ihr und verschwand dann in die Schatten. Sie sah ihn nicht

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