Shannara V
Cogline sich verlassen hatte, die Wissenschaften der Alten Welt, die auf die Neue überkommen waren. Er attackierte die Steinruine seines Arms und versuchte, sie bis zum Fleisch abzubrennen und auszuglühen. Er versuchte Heilmixturen, die von der Haut absorbiert wurden und in den Stein dringen sollten. Er wandte elektrische und magnetische Felder an. Er probierte Antitoxine. Auch das alles versagte. Das Gift war zu stark. Es konnte nicht neutralisiert werden. Es breitete sich weiterhin in seinem Körper aus und brachte ihn langsam um.
Ondit blieb fast ohne Unterbrechung an seiner Seite, folgte ihm geräuschlos auf seinen langen Tageswanderungen, streckte sich in der Dunkelheit seines Zimmers neben ihm aus, während er sich vergeblich abmühte, die Magie in einer Weise anzuwenden, die ihm zu überleben gestattete. Die riesige Moorkatze schien zu spüren, was mit Walker geschah; sie beobachtete ihn, als fürchte sie, er könne jeden Moment verschwinden, als könne sie ihn irgendwie vor dieser unsichtbaren Bedrohung beschützen, indem sie ihn nicht aus den Augen ließe. Die leuchtenden gelben Augen waren immer da, beobachteten ihn mit Klugheit und Sorge, und Walker ertappte sich dabei, wie er voller Hoffnung hineinstarrte und nach den Antworten suchte, die er nirgendwo sonst zu finden vermochte.
Auch Cogline tat alles in seiner Macht Stehende, um Walker in seinem Ringen zu unterstützen. Wie die Moorkatze hielt er Wache, wenn auch aus größerer Distanz, weil er fürchtete, Walker würde es nicht tolerieren, wenn er zu nah käme oder zu lange bliebe. Zwischen den beiden bestand noch immer ein Antagonismus, der nicht zu überwinden war. Es fiel ihnen schwer, mehr als für ein paar Minuten zusammen zu sein. Cogline gab Rat, wo er konnte, mischte Pulver und Arzneien auf Walkers Bitte, verschrieb Salben und Heilmittel und schlug Formen von Zaubern vor, von denen er glaubte, sie könnten helfen. Vor allem aber gab er das bißchen Trost, das er vermitteln konnte, daß ein Gegenmittel gefunden werden würde.
Walker war dankbar für diesen Trost, auch wenn er es dem anderen niemals eingestehen würde. Er hatte seinem eigenen Tod nie viele Gedanken gewidmet, war immer überzeugt gewesen, daß es noch lange hin sei und er, wenn es soweit wäre, dafür vorbereitet sei. Er stellte jetzt fest, daß er sich in beidem geirrt hatte. Er war zornig und verängstigt und verwirrt; seine Gefühle stürzten in ihm durcheinander wie übriggebliebene Steine einer ausgeleerten Ladung in einem fahrenden Lastkarren. Er kämpfte um sein Gleichgewicht, den Glauben an sich selbst, ein winziges Fünkchen Hoffnung, doch ohne die unterstützende Gegenwart von Cogline wäre er verloren gewesen. Gesicht und Stimme des alten Mannes, seine Gesten, seine besonderen Eigenheiten, die ihm alle so vertraut waren, boten ihm Halt an dem Abgrund, an den Walker Boh sich klammerte, und bewahrten ihn davor, ganz und gar in die Tiefe zu stürzen. Er kannte Cogline seit langer Zeit, und in Abwesenheit von Par und Coll und in geringerem Maße auch von Wren stellte Cogline seine einzige Verbindung zur Vergangenheit dar - eine Vergangenheit, die er zuerst verspottet, verachtet und schließlich ganz und gar verleugnet hatte, und die er jetzt verzweifelt zurückzugewinnen versuchte, denn sie war die einzige Verbindung zur Verwendung der Magie, die ihn retten konnte. Wenn er es nicht so eilig gehabt hätte, sie zu verleugnen, ihren Einfluß loszuwerden, wenn er sich mehr Zeit genommen hätte, sie zu begreifen, von ihr zu lernen, sie zu meistern und sie für seine Bedürfnisse zu nutzen, dann hätte er jetzt vielleicht nicht so hart zu ringen, um am Leben zu bleiben.
Doch die Vergangenheit ist nicht wiedergutzumachen. Trotzdem konnte er einen gewissen Trost aus der ständigen Gegenwart des alten Mannes ziehen, der ihm all sein Verständnis der Magie vermittelt hatte. Jetzt, da seine Zukunft so erschreckend ungewiß geworden war, entdeckte er ein seltsames, zwingendes Bedürfnis, nach jenen Dingen zu greifen, die ihm aus der Vergangenheit geblieben waren. Und von denen war Cogline das nächstliegende.
Cogline war im zweiten Jahr seines einsamen Lebens in Hearthstone zu ihm gekommen. Risse war damals schon fünfzehn Jahre tot und Kenner fünf. Er war seither auf sich selbst angewiesen, trotz der Bemühungen von Jaralan und Mirianna Ohmsford, ihn zu einem Mitglied ihrer Familie zu machen, ein von allen Ausgestoßener, denn seine Magie erlaubte ihm nichts anderes. Während
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