Shannara V
Schattenwesen einen anderen Grund gehabt hätte. Niemand konnte das überlebt haben, dachte er. Er beobachtete, wie Pe Ell lustlos gegen Schutthaufen trat, eindeutig nur halbherzig bei der Sache. Morgan mochte den Mann nicht. Er traute ihm nicht, und er verstand ihn nicht. Trotz der Tatsache, daß Pe Ell ihn aus dem Föderationsgefängnis befreit hatte, konnte Morgan sich nicht dazu bringen, irgendwelche Freundschaftsgefühle für ihn zu hegen. Pe Ell hatte ihn auf Quickenings Bitte gerettet; er hätte keinen Finger krumm gemacht, wenn das Mädchen ihn nicht darum gebeten hätte. Soviel hatte er Morgan schon wissen lassen, es hatte ihm viel daran gelegen, es ihm zu sagen. Wer er war, blieb ein Geheimnis, und der Hochländer war sicher, daß nichts Gutes aus seiner Anwesenheit hier entspringen konnte. Selbst jetzt, als er über die verkohlte Lichtung streifte, sah er aus wie eine Katze auf der Suche nach etwas zum Spielen.
Quickening fand Walker Boh wenige Augenblicke später und rief die beiden anderen eilig hinzu. Wie sie herausfand, wo er sich versteckt hatte, konnte man nur vermuten. Er war bewußtlos und lag tief in die Erde eingegraben. Pe Ell und Morgan gruben ihn aus und stellten dabei fest, daß er offenbar in einem unterirdischen Tunnel, der von der Hütte zum Waldrand führte, steckengeblieben war. Obwohl der Tunnel vermutlich bei dem Schattenwesenangriff eingestürzt war, hatte er genug Luft bekommen, um zu überleben. Sie brachten ihn an das schwächer werdende Tageslicht, und Morgan sah die Überreste seines Arms, der Unterarm war ganz weg, und ein steinerner Stumpf ragte aus der Schulter. Walker atmete nur schwach, seine Haut war bleich und ausgemergelt. Zuerst glaubte der Hochländer, er lebe gar nicht mehr.
Behutsam legten sie ihn auf den Boden und wischten ihm den Schmutz vom Gesicht. Quickening kniete sich neben ihn und nahm seine Hand in ihre Hände. Sie hielt sie einen Moment lang fest, und er schlug die Augen auf. Morgan wich zurück. So hatte er Walkers Blick noch nie gesehen; es war erschreckend, ihn anzuschauen, finsterer Wahnsinn stand darin.
»Laßt mich nicht sterben«, flüsterte der Dunkle Onkel rauh.
Das Mädchen berührte sein Gesicht, und er schlief auf der Stelle ein. Morgan holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Walker Boh bat nicht aus Angst um Hilfe; es war Wut.
In jener Nacht schlugen sie ihr Lager neben den Ruinen der Hütte im Schutze der Bäume auf, als das Tageslicht der Dunkelheit wich. Quickening ließ sie neben der Stelle, wo Walker Boh schlafend lag, ein Feuer entzünden, und sie setzte sich neben ihn und rührte sich nicht. Manchmal nahm sie seine Hand, manchmal streichelte sie ihn. Morgan und Pe Ell waren vergessen. Sie schien sie nicht zu brauchen und auch nicht zu wollen, daß sie sich einmischten, also entfachte der Hochländer ein zweites Feuer ein Stückchen weiter weg und bereitete ein Nachtmahl aus den Vorräten, die sie mitgebracht hatten - Brot, getrocknetes Fleisch, Käse und Obst. Er bot dem Mädchen etwas an, doch sie schüttelte den Kopf und er zog sich zurück. Er aß allein. Pe Ell nahm sein Essen und verschwand in die Dunkelheit.
Nach einer Weile streckte Quickening sich neben Walker Boh aus und schlief eng an ihn geschmiegt ein. Morgan beobachtete es mit steinernem Gesicht, und eine Welle von Eifersucht, daß der Dunkle Onkel ihr so nah sein durfte, überrollte ihn. Er musterte ihr Gesicht im Feuerschein, die Kurve ihres Körpers, ihre Sanftheit. Sie war so schön. Er konnte die Wirkung, die sie auf ihn hatte, nicht erklären; er hielt sich für außerstande, ihr irgend etwas auszuschlagen. Nicht, daß er die Hoffnung hegte, sie empfände für ihn, was er für sie empfand - oder daß sie überhaupt etwas für ihn übrig hätte. Es war die Sehnsucht, die sie in ihm erweckte. Er hätte nicht mit ihr gehen dürfen, nachdem er aus dem Gefängnis entkommen war und sich vergewissert hatte, daß Elise und Jilt in Sicherheit waren. Er hätte den Talbewohnern Par und Coll Ohmsford folgen sollen. Er hatte sich mehr als einmal vorgenommen, während er in der Finsternis und dem Dreck jener Föderationsgefängniszelle lag, daß er das täte, wenn er je freikommen sollte. Und dennoch war er jetzt hier im tiefsten Anar hinter einem Mädchen her, das nach einem Talisman suchte, von dem sie behauptete, daß es ihn gab, den sie jedoch nie genauer benannt hatte, in Gesellschaft dieses rätselhaften Pe Ell und nun auch noch von Walker Boh. Es verblüffte ihn,
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