0074 - Ich flog in die Hölle
»Tut mir leid, Cotton«, sagte Greyson, der Chef der Zollprüfstelle auf dem La Guardia Airport »aber diese Papiere sind völlig in Ordnung.« Er schlug mit der flachen Hand auf die ausgebreiteten, mit Dutzenden von Stempeln versehenen und mit Passbildern geschmückten Dokumente. »Wir können nicht das Geringste tun, um die Leute an der Reise zu hindern.«
Ich starrte wütend auf den Schreibtisch. Es war Sommer. Der Asphalt in New Yorks Straßenschluchten kochte. Das ist die Zeit, in der alle Leute verrückt spielen und in der man sie am leichtesten dazubekommen kann, irgendetwas Verrücktes zu tun. Manche lassen sich auf Abenteuer ein, nur um diesem brodelnden Asphaltkessel zu entgehen, der New York zu dieser Zeit ist.
»Entschließen Sie sich, was Sie tun wollen«, drängte Greyson. »Ich kann den Abflug der Chartermaschine nicht bis ins Endlose verzögern.«
Da lagen die Papiere, wunderschöne, ordentliche, gestempelte Papiere. Obenauf die Arbeitsverträge, sorgfältig ausgefüllt, mit Paragrafen von 1 - 24, in denen von den Rechten des Arbeitnehmers und von den Pflichten des Arbeitgebers die Rede war. Kostenlose Hinreise, gesichertes Gehalt, Unterkunft, jährlich zwei Monate Urlaub, sechswöchige Kündigung.
Noch einmal glitt mein Blick über die Verträge. Ich las die Namen.
John Snewman, verpflichtet als Ingenieur zur Carratlos Mine do Brasil.
Telk Carter und Famy Carter, zwei Brüder, verpflichtet zu der gleichen Firma.
Ann South, Arbeitsvertrag als Stenotypistin bei Lemon/Co in Rio de Janeiro.
Abee Broyt und Lizzy Talk gingen als Krankenschwestern in das Privathospital Sanitate in Brasilien.
Lu Yiang und Ti Yiang, zwei Chinesen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, waren als herrschaftliche Diener bei einem Senhor Pratlos verpflichtet.
Dann waren da noch Verträge für die Männer aus dem italienischen Viertel New Yorks. Leone Furello, Stanio Berghi und Paolo Sandrelli wollten für drei Jahre bei der Baugesellschaft Rostados & Cie in Rio de Janeiro als Maurer arbeiten.
»Cotton!«, mahnte Greyson.
Ich wachte aus meinen Gedanken auf.
»Lass sie hereinkommen!«
»Alle?«
»Ja, alle!«
Er ging zur Tür, öffnete sie und rief: »Die Passagiere der Chartermaschine nach Rio de Janeiro!«
Die acht Männer und die drei Frauen drängten in das Office des Zollchefs. Ich sah mir die Mädchen an. Sie waren jung, aber nur eine von ihnen konnte als hübsch bezeichnet werden.
»Ich heiße John Snewman«, sagte ein hochgewachsener, blonder Mann. »Irgendetwas mit unseren Papieren nicht in Ordnung?«
»Nein, nein«, antwortete ich gereizt. »Die Papiere sind in Ordnung. Fast zu gut in Ordnung. Hören Sie, Mr. Snewman. Warum gehen Sie nach Brasilien?«
Er sah mich erstaunt an.
»Gutes Geld und gute Arbeit!«
Ich wandte mich an alle.
»Ich muss offen mit Ihnen reden«, sagte ich. »Ich bin Beamter des FBI. In letzter Zeit haben sich die Nachrichten gehäuft, dass Leute, die aufgrund von Arbeitskontrakten nach Brasilien gegangen sind, nichts mehr von sich haben hören lassen. Diese Menschen scheinen wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Solange die schwebenden Fälle nicht geklärt sind, finden wir es leichtsinnig von jedermann, einen solchen Kontrakt einzugehen. Das FBI hat leider keine Handhabe, Sie an der Reise zu hindern, aber ich bitte Sie dringend, es sich zu überlegen.«
»Agent Cotton, ich wundere mich, dass Sie uns mit solchen Redensarten kommen«, antwortete der Ingenieur. »Ich habe das Zeitungsgewäsch der letzten Wochen verfolgt. Mir dreht sich der Magen um, wenn ich Überschriften lese wie: Blonde Ware für Brasilien. Amerikanerinnen, hütet euch! Auf gefährlichen Wegen! Verträge, die zum Abgrund führen! Von solchen Storys leben die Revolverblätter. Ich habe zwei gute Freunde, Amerikaner, die beide bei der gleichen Firma arbeiten, mit der ich einen Arbeitsvertrag unterschrieben habe. Es geht ihnen gut. Sie verdienen viel Geld, und ihre Verträge sind in jedem Punkt bis auf das i-Tüpfelchen erfüllt worden. Wollen Sie wirklich behaupten, es bestünde eine Gefahr?«
»Unsere Verträge sind vom amerikanischen Generalkonsulat in Rio de Janeiro gegengezeichnet«, mischte sich eines der Mädchen ein. »Das beweist doch, dass alles in Ordnung ist, nicht wahr!«
»Leider«, brummte ich. »Leider! Wir haben in Ihren Fällen sogar beim Generalkonsulat zurückgefragt, und das Konsulat hat sich seinerseits mit den Firmen in Verbindung gesetzt. Jawohl, es ist alles okay. Und trotzdem haben
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