Shannara V
Visionen zeigen uns Möglichkeiten und nicht Realität. Wir sind nicht an sie gefesselt, sie steuern nicht, was geschehen wird. Insbesondere solche von einer Kreatur wie dem Finsterweiher. Er neckt mit Falschheit, er täuscht. Fürchtest du ihn, Walker Boh? Nein, nicht du. Und ich auch nicht. Mein Vater sagt mir, was geschehen wird, und das reicht. Du wirst mir kein Leid antun.«
Walkers Gesicht fühlte sich verkniffen und angespannt an. »Er kann sich irren in dem, was er sagt; er mag nicht alles sehen, was sein wird.«
Quickening schüttelte den Kopf, streckte ihre schmale Hand aus und legte sie auf seine. »Du wirst auf dieser Reise mein Beschützer sein, Walker Boh - ihr alle drei, solange es nötig ist. Mach dir keine Sorgen. Ich werde bei euch sicher sein.«
Walker schüttelte den Kopf. »Ich könnte hierbleiben …«
Ihre Hand legte sich hastig auf seine Lippen und berührte sie, als müsse sie neues Gift fortwischen. »Nein.« Das Wort war wie aus Eisen gegossen. »Ich werde in Sicherheit sein, wenn du bei mir bist, ich laufe nur Gefahr, wenn du es nicht bist. Du mußt mitkommen.«
Er sah sie zweifelnd an. »Kannst du mir irgend etwas darüber sagen, was ich zu tun haben werde?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Oder über die Mittel, wie ich Uhl Belk den schwarzen Elfenstein abnehmen soll?«
Wieder verneinte sie mit Bestimmtheit.
»Oder wenigstens, wie ich dich beschützen soll, wo ich doch nur einen Arm habe und …?«
»Nein.«
Er sackte zusammen, fühlte sich plötzlich schrecklich erschöpft. Finsternis hüllte ihn als Decke aus Zweifeln und Unentschlossenheit mit erstickenden Falten ein. »Ich bin ein halber Mann«, flüsterte er. »Ich habe das Vertrauen in mich verloren, in die Versprechen, die ich mir selbst gegeben, die Aufgaben, die ich mir gestellt habe. Ich bin von Druidenträumen und - aufträgen, an die ich nicht glaube, herumgezerrt worden. Ich habe meine beiden engsten Freunde verloren, mein Haus und meine Wertvorstellungen. Ich war der Stärkste von jenen, die Allanon aufsuchten, der, auf den die anderen sich verließen. Jetzt bin ich der Schwächste, kaum in der Lage, mich auf den Beinen zu halten. Ich kann die Visionen des Finsterweihers nicht so schnell abtun wie du. Ich bin zu oft zu Unrecht vertrauensvoll gewesen. Jetzt muß ich einfach alles in Frage stellen.«
»Walker Boh«, sagte sie.
Er schaute sie fragend an, während sie ihm auf die Füße half. »Du wirst wieder stark sein - allerdings nur, wenn du daran glaubst.«
Sie war so nah, daß er ihre Wärme durch die kühle Nachtluft zu ihm strahlen fühlte. »Du bist wie ich«, sagte sie ruhig. »Du hast es schon gespürt, doch du kannst noch nicht begreifen, warum das so ist. Es ist so, denn wir sind in erster Linie Geschöpfe der Magie, die wir befehligen. Die Magie definiert uns, formt uns und macht uns zu dem, was wir sind. Für uns beide ist es ein angeborenes Recht, dem wir nicht entkommen können. Du willst mich beschützen, indem du mir von der Vision berichtest, und indem du die Gefahr, die deine Gegenwart bedeuten könnte, bannst, falls deine Vision sich bewahrheiten sollte. Aber, Walker Boh, wir sind in einer Weise verbunden, daß wir allen Visionen zum Trotz nicht getrennt überleben können. Fühlst du das nicht? Wir müssen diesen Faden des Wegs aufnehmen, der uns nach Eldwist, zu Uhl Belk und dem schwarzen Elfenstein führt, und wir müssen ihm bis zum Ende folgen. Visionen von dem, was sein könnte, dürfen uns nicht von diesem Weg abbringen. Wir dürfen keine Angst um unsere Zukunft haben.«
Sie machte eine Pause. »Magie, Walker Boh. Magie bestimmt den Sinn meines Lebens, die Magie, die mein Vater mir gab. Kannst du behaupten, daß es für dich anders ist?«
Es war nicht eine Frage, die sie ihm stellte, sondern die Feststellung einer Tatsache, eine unanfechtbare Wahrheit. Er holte tief Luft. »Nein«, gab er zu, »das kann ich nicht.«
»Wir können es weder verleugnen noch davor weglaufen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Dies haben wir miteinander gemein - dies und unterschiedliche Aufträge, den schwarzen Elfenstein zu finden und die Vier Länder zu retten, deinen von Allanons Schatten, meinen von meinem Vater. Darüber hinaus ist alles unwichtig. Alle Wege führen zu dem Druidentalisman.« Sie hob ihr Gesicht in das schwache Licht, das vom sternenübersäten Himmel durch die Bäume fiel. »Wir müssen uns zusammen auf die Suche danach machen, Walker Boh.«
Sie war so überzeugt, war sich dessen, was sie
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