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SHANNICE STARR (German Edition)

SHANNICE STARR (German Edition)

Titel: SHANNICE STARR (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Cane
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diesen hässlichen Nachgeschmack.
    Er stellte sich auf ein kleines, hölzernes Podest, das bereits vor geraumer Zeit für diese Art von Versammlung angefertigt worden war. Vor ihm kam die Horde artiger und kirchentreuer Mitbürger zusammen, die – wie immer zu solchem Anlass – ein außerordentliches Spektakel erwartete. Fackeln wurden hochgereckt, und laute Rufe schallten wirr und unverständlich durcheinander.
    Hartman blickte in die hassverzerrten Fratzen gottesfürchtiger Ehefrauen, die endlich die Gelegenheit für gekommen sahen, ein hilfloses Opfer für das Fremdgehen ihrer Ehemänner verantwortlich zu machen. Nicht jeden Tag sollte schließlich eine Prostituierte aufgeknüpft werden. Und nicht bei jeder Lynchjustiz hatte der Pastor dieses versteckte, selbstzufriedene Grinsen. Das würde ihm höchstwahrscheinlich erst dann wieder vergehen, wenn der ortsansässige gemeinnützige Frauenverein eine neuerliche Prozession gegen den Teufel Alkohol durchführte. Mit Pauken und Trompeten. Quer durch die Stadt. Aber dagegen gab es kein Gesetz.
    »Liebe Mitbürger«, begann Leonard Hartman seine Ansprache und brachte damit den allgemeinen Tumult ein wenig zum Verstummen. »Wieder einmal ist in unserer kleinen Stadt ein Unrecht geschehen. Wieder einmal« – er machte eine bedeutungsvolle Kunstpause – »sehe ich mich gezwungen, in Vertretung eines ordnungsgemäß ernannten Gesetzeshüters Recht zu sprechen. Im vorliegenden Fall ist es überflüssig, eine Gerichtsverhandlung einzuberufen. Die Sachlage ist klar. Ein Mann, den wir alle kennen und der unseren Respekt verdient hat, ist von dieser Hure« – Hartman machte eine abfällige Geste in Richtung der Dunkelblonden, die ihre Blößen notdürftig mit einer groben Satteldecke zu verhüllen suchte – »auf hinterhältige Weise ermordet worden. Dieser Mann, den wir alle unter dem Namen Howlin’ Jeremiah kennen, war dieser … Person wehrlos ausgeliefert, als sie ihn mit dessen eigener Waffe bedrohte und schließlich eiskalt abdrückte.« Hartman verlieh seiner Stimme einen bitteren Klang. »Ich kann beim besten Willen nicht sagen, was zu diesem Zeitpunkt in der Täterin vorgegangen ist. Wichtig war ihr wohl allein das Geld dieses rechtschaffenen Bürgers, der jeden gottgeschaffenen Tag hart arbeiten musste, um sich sein Brot zu verdienen. Der kleine Liebeslohn war dieser erbärmlichen Hure offenbar zu gering!«
    »Hängt das Dreckstück!«, kam es lautstark aus der Menge. Und wieder: »Knüpft sie auf!« Dutzende Fackeln stachen im Rhythmus der Worte in den dunklen Himmel.
    »Bringt sie zu mir«, forderte Leonard T. Hartman.
    Die Zwanzigjährige verkrampfte sich. Hinter Hartman rissen die hektisch flackernden Fackeln ein Gerüst aus den Schatten der hereinbrechenden Nacht, das die ganze Zeit über im Dämmerschein verborgen geblieben war … – einen Galgen!
    »Ihr verfluchten Wilden! Das könnt ihr nicht tun!« Heftig wehrte sich das junge Mädchen gegen den stahlharten Griff ihrer beiden Bewacher, die sie nun unnachgiebig vorzerrten. »Ich habe den Cowboy in Notwehr erschossen! Er hatte ein Messer! Er wollte mich töten …!«
    »Erspar uns dein Gejammer«, forderte Hartman barsch. »Mache deinen Frieden mit Gott.«
    Sie stand jetzt direkt vor ihm. Er griff hinter sich und ertastete den Strick. Der grob gedrehte Bast schnitt in seine Handflächen. Ohne eine Regung legte er die Schlinge um den Hals des Mädchens. Der angstvolle Blick aus ihren großen, traurigen Augen rührte ihn nicht eine Sekunde.
    Hartman zog die Schlaufe zu. Ein flüchtiger Seitenblick auf den Pastor, der gönnerhaft nickte, sagte dem Henker, dass er das Richtige tat. Ohne den Segen der Kirche abzuwarten, wollte er das Urteil der Gemeinde vollstrecken.
    »Möge Gott, der Herr, deiner armen Seele gnädig sein …«
    Hartmans Hand glitt herüber zu dem Hebel, der die Falltür betätigte.
    Bange Erwartung in den Augen aller Anwesenden. Aber auch freudige Erregung. Gleich würde es geschehen.
    Hartmans Finger umklammerten den Hebel, um in derselben Sekunde daran zu reißen.
    »Nein!«, hallte von außerhalb eine Stimme wie Donnerhall.
    Verblüfft entkrampften sich Leonard Hartmans Finger, glitten herab von dem mörderischen Mechanismus.
    »Wer …?«, war das einzige, was er in seinem Erstaunen hervorbrachte. Auch die Köpfe der meisten Anwesenden hatten sich mit einem Ruck dem Neuankömmling zugewandt, der forschen Schrittes die Menge durchquerte, auf das Podest stieg und der zitternden Dirne

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