Sharon: die Frau, die zweimal starb
sicher, dass sie fremdgeht. Da ist er ungemütlich geworden.«
»Tut mir leid, das zu hören.«
»Mir auch. Er war der Einzige in der Abteilung, der mich je wie einen Menschen behandelt hat. Und versteh mich nicht falsch: Wir reißen uns nicht gegenseitig die Gurgeln raus. Aber andererseits ist er auch nicht sehr zugänglich. Wie auch immer, die Zeit scheint reif für eine kleine Infosammelaktion außer der Reihe. Ich brauche mich erst am Montag zurückzumelden, und Rick wird das ganze Wochenende lang entweder arbeiten oder schlafen.«
Er stand auf, ging umher. »Müßige Hände tun des Teufels Arbeit, Bürschchen. Es liegt mir fern, Satan versuchen zu wollen. Stell dir bloß nichts Dramatisches vor, okay?«
Ich nickte, brachte die Teller zum Spülbecken und fing an abzuwaschen.
Er kam herüber und legte seine große, fleischige Hand auf meine Schulter.
»Du guckst so trübe nach unten. Raus mit der Sprache, Alex. Diese Freundin war mehr als nur eine Freundin.«
»Vor langer Zeit, Milo.«
»Aber so wie du guckst, wenn du über sie redest, ist es noch keine alte Geschichte. Oder gibt’s da noch was anderes an der Horrorstory, was dir nicht aus dem Kopf geht?«
»Nichts, Milo.«
Er nahm die Hand weg. »Vergiss eins nicht, Alex. Bist du fähig, noch mehr Sauzeug über sie zu hören? Weil nach dem, was wir jetzt schon wissen, die Schnüffelei nicht umsonst sein wird, wenn wir erst mal anfangen zu buddeln.«
»Kein Problem«, sagte ich und versuchte, einen unbekümmerten Eindruck zu machen.
»Hm«, sagte er und ging los, um sich noch ein Bier zu besorgen.
14
Als er weg war, blätterte meine Nonchalance ab. Wie viel Sauzeug wollte ich wirklich noch kennenlernen, wenn ich nicht mal begriffen hatte, was ich bereits wusste?
Kostenlose Weiterbehandlung.
Mich hatte sie auch weiterbehandelt.
Die Szene mit dem Foto von den Zwillingen hatte mich gründlich durcheinandergebracht, ich litt, konnte mich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Drei Tage später rief ich sie an, keine Verbindung. Vier Tage später raffte ich mich auf und fuhr zurück zu dem Haus auf Jalmia. Niemand daheim. Ich erkundigte mich beim Fachbereich Psychologie, erfuhr, dass sie vorübergehend abwesend war. Keiner ihrer Professoren machte sich Sorgen wegen ihres Verschwindens. Sie musste ihren Urlaub schon lange vorher beantragt haben - »Familienangelegenheiten«, hatte ihre Arbeit immer aufgeholt und erledigt, war eine Spitzenstudentin.
Als Kruse nach einer Woche, während der ich ihn dauernd anrief, immer noch nicht antwortete, sah ich seine Praxisadresse im Telefonbuch nach und fuhr hin. Es war ein vierstöckiges Gebäude aus eloxiertem Stahl und getöntem Glas mit einem lärmigen französischen Restaurant im Erdgeschoss, das in eine Straßencaféterrasse überging. Im Verzeichnis stand eine ausgefallene Mischung von Mietern: ungefähr ein Drittel Psychologen und Psychiater, der Rest verschiedene, mit dem Film zusammenhängende Interessen - Produktionsgesellschaften, Agenten, Publizisten, Personalberater.
Kruses Suite lag im obersten Stock. Seine Tür war abgeschlossen. Ich kniete mich hin, öffnete den Briefkastenschlitz und sah hinein. Dunkelheit. Ich stand auf und sah mich um. Eine andere Suite nahm den Rest der Etage ein - eine Firma namens Creative Image Associates. Deren Doppeltür war auch verschlossen.
Ich hing mit Klebeband einen Zettel unter Kruses Namensschild mit meinem Namen darauf und der Telefonnummer und bat ihn, sich so schnell wie möglich mit mir in Verbindung zu setzen, betreffs: S.R. Dann fuhr ich wieder zu dem Haus an der Jalmia hinauf.
Der Ölfleck auf dem Autostellplatz war trocken, das Laub welkte. Der Briefkasten war vollgestopft mit der Post wenigstens einer Woche. Ich blätterte die Briefumschläge durch und prüfte die Absender. Alles Werbung. Nichts, was etwas darüber aussagte, wohin sie gegangen war.
Am folgenden Morgen, vor dem Weg zum Krankenhaus, fuhr ich wieder beim Fachbereich Psychologie vorbei und suchte mir aus der Fakultätskartei Kruses Adresse heraus. Pacific Palisades. Ich fuhr an dem Abend hin und saß eine Weile da und wartete auf ihn.
Novemberende, kurz vor Thanksgiving, L.A.s beste Jahreszeit. Der Himmel war gerade dunkler geworden von einem El-Greco-Blau zu gleißendem Zinn, von Regenwolken geschwollen und wie mit Elektrizität aufgeladen.
Kruses Haus war groß, rosa und im spanischen Stil, lag an einer Privatstraße am Mandeville Canyon, nur ein kurzes Stück weiter unten waren
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