Sharpes Feuerprobe
Männer des Königs. Die sechs Bataillone mit Sepoys, den indischen Soldaten in europäischen Diensten der East India Company, die rote Uniformröcke wie die Männer des Königs trugen, entrollten ihre Fahnen, und Sharpe blickte daran vorbei zu den großen Fahnen des 33. Regiments, die aus ihren Wachstuchüberzügen gezogen und in die heiße indische Sonne gehalten wurden. Die erste, die des Königs, war eine britische Fahne mit den aufgestickten Schlachten und Ehrungen des Regiments. Die zweite, die Regimentsfahne, hatte das Abzeichen des 33. Regiments auf einem weißen Feld mit scharlachrotem Kreuz, das gleiche Scharlachrot wie auf den Aufschlägen der Uniformröcke der Männer.
Die mit Quasten geschmückten Seidenfahnen leuchteten. Und ihr Anblick hatte eine plötzliche Kanonade vom Höhenkamm zur Folge. Bis jetzt hatte nur ein schweres Geschütz gefeuert, doch nun schlossen sich abrupt sechs andere Kanonen dem Kampf an. Die neuen Geschütze waren kleiner, und ihre Kugeln reichten nicht bis zu den sieben Bataillonen.
Major Shee, der Ire, der das 33. Regiment befehligte, während Colonel Arthur Wellesley das Kommando über die gesamte Brigade hatte, ritt im kurzen Galopp zurück, sprach kurz mit Morris und galoppierte dann zur Spitze der Kolonne.
»Wir werden diese Bastarde vom Kamm fegen!«, schrie Morris zur Leichten Kompanie und neigte dann den Kopf, um eine Zigarre mit einer Zunderbüchse anzuzünden. »Jeder Bastard, der kneift und abhauen will, Sergeant«, fuhr Morris fort, als seine Zigarre richtig brannte, »wird erschossen. Haben Sie verstanden?«
»Laut und deutlich, Sir!«, brüllte Hakeswill. »Erschossen, Sir! Die Feiglinge werden erschossen!« Er wandte sich um und starrte böse zu den beiden Halbkompanien. »Erschossen! Und eure Namen werden in eurer Heimatkirche ausgehängt, die Namen der Feiglinge, die ihr seid. Also kämpft wie Engländer!«
»Schotten«, grollte eine Stimme hinter Sharpe, jedoch so leise, dass Hakeswill es nicht hören konnte.
»Iren«, sagte ein anderer Mann.
»Keiner von uns ist ein Feigling«, sagte Garrard lauter.
Sergeant Green, ein netter Mann, besänftigte ihn. »Ruhig, Jungs. Ich weiß, dass ihr eure Pflicht tun werdet.«
Die Front der Kolonne marschierte jetzt, doch den hintersten Kompanien wurde Warten befohlen, sodass das Bataillon mit weiten Intervallen zwischen seinen zwanzig Halbkompanien vorrücken konnte. Sharpe nahm an, dass die zerstreute Formation beabsichtigt war, um Ausfälle durch das Bombardement des Feindes zu reduzieren, das immer noch aus extremer Weite feuerte und keinen Schaden anrichtete.
Weit hinter ihm wartete der Rest der alliierten Armeen darauf, dass der Höhenkamm eingenommen wurde. Diese Masse sah wie eine gewaltige Horde aus, doch Sharpe wusste, dass das meiste dessen, was er sah, der zivile Anhang der beiden Armeen war: das Chaos aus Händlern, Frauen, Marketendern und Viehhirten, der Tross, der die kämpfenden Soldaten am Leben erhielt und dessen Vorräte die Belagerung der Hauptstadt des Feindes ermöglichte.
Über sechstausend Ochsen wurden allein zum Transport der Kanonen für die großen Belagerungsgeschütze gebraucht, und all diese Ochsen mussten gehütet und gefüttert werden, und die Hirten hatten ihre Familien dabei, die ihrerseits Ochsen brauchten, um ihre eigenen Vorräte zu transportieren. Lieutenant Lawford hatte einst gesagt, dass die Expedition nicht wie eine Armee auf dem Marsch aussah, sondern wie ein großer Wanderzug. Die riesige Horde von Zivilisten und Tieren wurde von einer dünnen Kruste rot uniformierter Infanterie umgeben, die meisten davon indische Soldaten in europäischem Dienst, deren Aufgabe es war, die Händler, Munition und Zugtiere vor der schnell reitenden, hart zuschlagenden Leichten Kavallerie von Tippu Sultan zu schützen.
Tippu Sultan. Der Feind. Der Tyrann von Maisur und der Mann, der vermutlich das Geschützfeuer von dem Höhenkamm leitete. Tippu herrschte in Maisur, und er war der Feind. Aber Sharpe hatte keine Ahnung, wer Tippu war und warum er ein Feind war oder ob er ein Tyrann, eine Bestie oder ein Halbgott war. Sharpe war hier, weil er Soldat war, und es reichte, dass man ihm gesagt hatte, Tippu Sultan sei sein Feind, und so wartete er geduldig unter der indischen Sonne, die den Schweiß aus seinem großen, muskulösen Körper trieb.
Captain Morris lehnte sich auf seinen Sattelknauf. Er nahm seinen Zweispitz ab und wischte sich mit einem Taschentuch, das mit Kölnisch Wasser
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