Sharras Exil
schlaff herunter, als schmerze sie ihn. Vielleicht tat sie das auch. Ich war zu erregt, als dass es mich interessiert hätte. Endlich brachte er mühsam, beinahe flüsternd heraus: »Es hat uns – Zeit verschafft. Noch ein Jahr. Sie können – ein Jahr lang gegen dein Recht auf die Alton-Domäne keinen Einspruch mehr erheben und Beltran nicht in den Rat aufnehmen. Die Ratssitzungen sind … geschlossen.« Dann schwankte er und fasste schwach nach der Schranke. Ich drückte ihn auf eine Bank nieder.
»Steck den Kopf zwischen die Knie«, befahl ich rau. Ich betrachtete ihn, wie er dasaß, den Kopf gesenkt. Langsam kam wieder ein bisschen Farbe in seine Wangen. Schließlich richtete er sich auf.
»Es tut mir Leid, wenn das … das Bild … dich geängstigt hat«, sagte er. »Mir ist nichts anderes eingefallen, um dem Rat Einhalt zu tun. Nur diese Farce. Ich wollte, dass sie sahen, was sie bedroht. So viele von ihnen wussten es nicht.«
Lerrys hatte gesagt: Du siehst Sharra als Schreckgespenst unter jedem Bett … nein. Das hatte er nicht zu mir, sondern zu Regis gesagt. Benommen sah ich ihn an. Ich bemerkte: »Hier drin sollen doch telepathische Dämpfer arbeiten. Dann müsste es unmöglich sein, dass wir gegenseitig unsere Gedanken lesen. Regis, was geht vor?«
»Vielleicht funktionieren die Dämpfer nicht«, meinte er mit kräftigerer Stimme, und jetzt sprach er völlig vernünftig, nur ängstlich, und er hatte allen Grund, ängstlich zu sein. Ich war es auch.
»Das Bild hat mir keine Furcht eingejagt«, sagte ich, »nur im ersten Augenblick. Ich habe die echte Sharra gesehen. Was mir jetzt Angst macht, ist die Tatsache, dass du das in einem mit Dämpfern voll gestopften Raum fertig gebracht hast. Ich wusste, dass du Laran hast, aber nicht, dass es so stark ist. Welche Art von Laran kann so etwas bewerkstelligen?« Ich ging zu dem nächsten telepathischen Dämpfer hin und drehte an der Einstellung, bis die rhythmischen Wellen verschwanden. Jetzt spürte ich Regis’ Erregung und Furcht in voller Stärke, und ich wünschte, sie wären mir verborgen geblieben. Regis stieß hervor: »Ich weiß nicht, wie ich es gemacht habe. Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich stand hier hinter Großvater, hörte Beltrans unverschämten Reden zu und wünschte, es gebe eine Möglichkeit, ihnen allen zu zeigen, wie sie aussieht … und dann …« Er benetzte die Lippen mit der Zunge und schloss mit zitternder Stimme: »Dann war es da. Das … das Feuerbild.«
»Und es scheuchte Beltran mir nichts, dir nichts aus der Kammer«, stellte ich fest. »Glaubst du, er weiß, dass Kadarin die Sharra-Matrix hat?«
»Ich konnte seine Gedanken nicht lesen. Das heißt, ich habe es gar nicht versucht. Ich …« Wieder brach seine Stimme. »Ich habe überhaupt nicht versucht , etwas zu tun. Es ist einfach … einfach geschehen!«
»Etwas in deinem Laran , das dir nicht bewusst ist? Wir wissen so wenig über die Hastur-Gabe, worin sie auch bestanden haben mag.« Ich wollte ihn beruhigen. »Sieh dir die gute Seite davon an; es hat Beltran von hier verjagt. Ich wünschte, der Schreck würde ihn den ganzen Weg bis in die Hellers zurücktreiben! Doch ich fürchte, so viel Glück haben wir nicht.«
Dabei hätte ich es gern gelassen. Doch als ich mich zur Tür wandte, fasste Regis mich an der Schulter.
»Aber wie konnte ich das fertig bringen? Ich verstehe es nicht! Du … du hast mich beschuldigt, Scherz damit zu treiben. So war es nicht, Lew, so war es nicht!«
Ich hatte keine Antwort für ihn. Ziellos wanderte ich im Raum herum und schaltete die restlichen Dämpfer aus. Ich spürte seine Angst, die sich beinahe zur Panik steigerte, immer stärker, je weniger Dämpfer den telepathischen Kontakt störten. Ärgerlich fragte ich mich, warum er sich so fürchtete. Ich war es, der an Sharra gebunden war, ich musste Tag und Nacht mit der Angst leben, dass Kadarin das Schwert Sharras zog und mich damit zurückholte an das schreckliche Tor zwischen den Welten, in diesen Höllenwinkel, den ich damals geöffnet und der meine Hand, meine Liebe – und mein Leben verschlungen hatte …
Aber ich durfte nicht auch noch in Panik geraten. Wenn ich mich nicht sofort zusammennahm, würden sich meine und Regis’ Furcht gegenseitig so verstärken, dass wir beide hysterisch zu schreien begannen. Ich rief mir ins Gedächtnis zurück, was ich in Arilinn gelernt hatte, und es gelang mir, meine Atmung zu kontrollieren. Die Panik verebbte.
Nicht so bei Regis. Er saß
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