Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
du weißt schon, wo.
Meine Mutter hat mit zwanzig Jahren geheiratet. Ich hab das zwar immer gewusst, als aber mein zwanzigster Geburtstag näher rückt, wiederholte sie auf schon zwanghafte Art und Weise die Geschichte ihrer Freier – sie erzählte sie während ihrer Gymnastikübungen, während sie sich Klopapier um den Kopf wickelte, damit die Lockenwickler nicht herausfielen. Ich öffnete zum Beispiel eine Thunfischbüchse, und sie verband diese Tätigkeit mit der Tatsache, dass sie mit zwanzig geheiratet hatte.
Bernice Arnold, alias meine Mutter, war das hübscheste Mädchen in Washington Heights. Eine zierliche, dunkelhaarige Schönheit mit blauen Augen. Ein schönes, einfach wunderschönes junges Mädchen. Und das dachten nicht nur Bernice’ Mutter und Vater wie auch Manny Levine, der Mann, der um Miss Arnolds’ Hand anhielt, als sie süße sechzehn war …. Nein, das dachte die ganze Nachbarschaft. Und das dachte auch die aus sehr angesehenen Männern bestehende Jury, die 1934 die Miss Coney Island kürte. Bernice Arnold nahm an diesem Wettbewerb teil,und Bernice Arnold ging als Siegerin daraus hervor. Ich sehe eher meinem Vater ähnlich, und der ist alles andere als eine Miss Coney Island.
Miss Arnold hätte viele Männer heiraten können. Ein inzwischen berühmt gewordener Rechtsanwalt hielt um ihre Hand an, und selbst ein unsterblich in sie verliebter Bandleader machte ihr einen Antrag. Doch sie sah sich nachts einfach nur auf der Piste um, während sie tagsüber Reklame für Strümpfe machte. Bernice hatte und hat immer noch wundervolle Beine. Meine haben Wachstumsstreifen.
Als sie zwanzig war, meinte ihre Mutter, sie solle ans Heiraten denken. Sie, so behauptet sie, habe immer auf ihre Mutter gehört, denn ihre Mutter wusste es am besten. Sie beschloss also zu heiraten, und von all ihren Bewerbern erwählte sie meinen Vater. Mein Vater ist zwar ein sehr netter Mann, aber warum sollte eine Miss Coney Island ihm den Vorzug gegenüber einem Bandleader geben?
»Ich kann dir nur raten, Sheila, hör auf deine Mutter, so wie ich auf meine hörte: Heirate jung. Am besten, du findest schon jemanden in der Schule. Wenn du mal draußen bist, wird es immer schwieriger und schwieriger.«
Heiraten? Heiraten, sagst du? Mutter, das ging an die Adresse deiner Tochter Sheila. Für mich war das aber nicht vorprogrammiert. Zu deiner Zeit war das anders. Zu deiner Zeit gab es noch so was wie eine hässliche Braut. Alle heirateten. Alle. Die klapperdürre Sharon, die dicke Harriet, die riesige Bea Finkel. Ich wurde zu spät geboren, Mom.
»SHEILA, LIEBES, AM BESTEN, DU FINDEST EINEN, SOLANGE DU NOCH ZUR SCHULE GEHST. DANACH WIRD ES SEHR VIEL KOMPLIZIERTER.«
Es gab ein ungeschriebenes Gesetz, das besagte, dass Jede, die am Ende des zweiten Studienjahrs nicht liiert oder verlobt war oder nichts am Laufen hatte, besser aus Syracuse weggehen sollte. Wir hatten alle schon einen Jahrgang von neuen Studienanfängerinnen erlebt, und wir wollten keinen weiteren mehr erleben.
Susan Frank ist im zweiten Studienjahr mit einem Erstsemester ausgegangen, und wir lachten nur höhnisch. Aber sie hat es uns allen gezeigt, als sie vor unseren neiderfüllten Augen ihr Erstsemester heiratete. Jahre später erfuhr ich, dass sie sich scheiden ließ und wieder heiratete. Das ist ungerecht, Susan. Manche von uns hatten nie eine Chance. Mommy, sie hatte eine zweite Chance, und ich hatte keine einzige.
Als ich im zweiten Semester war, sind von ungefähr zweitausend Studentinnen die meisten an die New York University übergewechselt, der Hafen für alle Uni-Wechsler.
An der NYU – das zur allgemeinen Kenntnisnahme – war ich nicht mehr die Campus-Matratze.
TATSACHE IST: Ein Pendler eignet sich kaum zur Matratze. Hier konnte ich einen Neuanfang machen. Ich konnte wieder Jungfrau sein. Und dafür hab ich mich auch mehrere Male ausgegeben … bis ich schließlich vierundzwanzig war und es nicht normal gewesen wäre, immer noch jungfräulich zu sein.
Einen Mann zu finden – und waren wir nicht deshalb hier, Mädels? – war ein ziemlich schwieriges Unterfangen an der NYU. Es gab sie zu Hunderten, die jüdischen Schönheiten mit ihren Zauberarmbändern, ihrem toupierten Haar und ihren AT&T-Beteiligungen, die alle nach dem Richtigen suchten. Und selbst wenn er jetzt noch nicht ganz der Richtige war, dann würde er es in ein paar Jahren sein, wenn erst einmal die Kinder da wären, das Haus in Scarsdale und ein
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