Sheylah und die Zwillingsschluessel
sich von ihm ab. Da fing es an zu fauchen. Es wackelte aufgeregt mit dem Schwanz und deutete in die entgegengesetzte Richtung des Lagers. „Was ist? Willst du mir etwas zeigen?“, fragte sie verwirrt. Da nickte das Kätzchen doch tatsächlich.
„Du kannst mich also verstehen?“, fragte sie noch einmal, um sicherzugehen. Es nickte wieder. „Jetzt spreche ich auch noch mit Tieren“, jammerte Sheylah und faste sich an den Kopf. „Warum auch nicht, schließlich gibt es ja auch Wassergeister.“ Das Kätzchen fauchte jetzt noch lauter und tanzte ungeduldig mit dem Hinterteil herum. „Ich kann dich leider nicht begleiten, ich muss …“, fing Sheylah an und wurde in der nächsten Sekunde von einem qualvollen Schrei unterbrochen. Ehe sie sich versah, lag sie auf dem Rücken und hatte so starke Kopfschmerzen, dass ihr übel wurde. Da war ein Geräusch, ganz in ihrer Nähe, das sie noch nie gehört hatte und auch nie wieder vergessen würde. Ein Fauchen und Rasseln, wie von einer Klapperschlange, aber so laut und aggressiv, dass es ihre Ohren klingeln ließ. Es schlängelte sich in ihren Kopf, in ihr Gehirn und zerfraß es von innen heraus. Sheylah schrie und wälzte sich auf dem Boden, dann war es vorbei. Sie blieb eine Weile liegen und als sie sicher war, wieder stehen zu können, rappelte sie sich mühevoll auf die Beine. Das Kätzchen war verschwunden und hatte einen süßen Duft in der Nacht hinterlassen. Hatte das Kätzchen ihr diese Schmerzen zugefügt? Sie hörte wieder einen gellenden Schrei und spannte sich innerlich an. Doch der befürchtete Schmerz blieb aus. Der Schrei kam vom Lager und Sheylah rannte darauf zu. Doch was sie sah, ließ sie nach wenigen Schritten innehalten. Das Lager hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Männer und Pferde rannten kreuz und quer über den Platz und einige Bäume hatten Feuer gefangen und tauchten die Lichtung in orangenes Licht. Schmerzens- und Kampfgeschrei erschallte von allen Seiten. Zwischen Andreys Leuten machte Sheylah noch andere Männer aus, in fremden Rüstungen. Es waren viele und sie lieferten sich einen erbitterten Kampf. Sie sahen furchterregend aus, mit ihren blutroten Rüstungen und schwarzen Federn auf dem Helm. Und sie kämpften auch nicht mit normalen Schwertern wie Andreys Männer, sondern mit grotesken Waffen. In dem Durcheinander sah Sheylah einen Morgenstern, der nach jemandem geschleudert wurde und ein Speer mit Widerhaken dran.
Diese Waffen waren eindeutig nicht nur zum Töten gedacht, sondern zum Verstümmeln. All das erfasste Sheylah in wenigen Sekunden. Sie konnte nicht anders, als mitten im Schlachtfeld stehenzubleiben und mit weitaufgerissenen Augen zuzuschauen. Sheylah fragte sich nicht einmal, wo die Männer überhaupt so plötzlich hergekommen waren. Sie war zu sehr damit beschäftigt, zu beobachten, was sie taten. Sheylah fühlte nichts als Panik. Wo waren Andrey und Djego? Was sollte sie jetzt tun? Sie wurde aus ihrer Starre gerissen, als ein grauer Ritter auf sie zugetaumelt kam. Er brach direkt vor ihren Füßen zusammen. Sofort beugte sie sich hinunter, um ihn aufzufangen, doch er war zu schwer und riss sie mit sich. Seine Augen waren vor Entsetzen und Todesangst geweitet. Sie bezweifelte, dass er sie überhaupt erkannte. Du lieber Himmel, ihm fehlte der linke Arm. Sheylah musste sehr an sich halten, um nicht schreiend davonzulaufen oder sich zu übergeben. Stattdessen klärten sich ihre Gedanken. Sie ließ ihn los und wollte sich ein Stück Stoff ihres Shirts abreißen, um ihm den Arm zu verbinden, doch mit seiner noch vorhandenen Hand, hielt er sie davon ab. Seine Augen waren völlig weiß, es war nichts Menschliches mehr darin. „Zu spät. Es sind die Skintii, bringt Euch in Sicherheit“, flüsterte er. Dann schloss er die Augen und regte sich nicht mehr. Sheylah hatte keine Zeit, in Panik zu geraten. Ohne darüber nachzudenken, griff sie nach seinem Schwert und wischte das daran klebende Blut an ihrem Shirt ab. Das Schwert war leichter als gedacht. Es hätte sie zu Boden reißen müssen, so groß und lang war es, doch auch darüber machte sie sich nicht allzu viele Gedanken. Sie sah sich um und entdeckte ein Pferd, das an einem Baum gebunden war und verzweifelt zu entkommen versuchte. Sie steuerte auf das Pferd zu, befreite es von der Leine und schwang sich darauf.
Der Kampf fand hauptsächlich am Rande des Lagers statt, so dass sie sich frei bewegen konnte – noch. Die brennenden Bäume erzeugten eine unangenehme Hitze
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