Conan-Saga 41 - Conan der Unbezähmbare
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Ein mannshohes Steinmal markiert die verlassene Verbindungsstelle, wo sich die Länder Brythunien, Corinthien und Zamora treffen. Jahrhundertelang haben Wind, Regen, Sonne und Schnee unerbittlich an den aufgetürmten Steinen gezerrt und geschliffen, so daß jetzt das Mal beinahe einem glatten Findling im kahlen Bergland gleicht. Der Gebirgspaß, wo er steht, ist fast immer von Schnee und Eis bedeckt und den starken Stürmen offen preisgegeben. Nur wenige Besucher verirren sich hier hinauf und bekommen den kahlen geographischen Wegweiser von nahem zu sehen.
Auf dem schmalen, eisigen, von Schnee bedeckten Pfad, welcher neben dem Steinmal vorbeiführt, gingen ein Mann und eine Frau. Sie stritten sich.
»Du hast die Pferde doch auch gesehen«, sagte die Frau vorwurfsvoll. »Aber natürlich ist dir nicht der Gedanke gekommen, zwei einzufangen!«
Eine wunderschöne junge Frau sagte dies. Sie hieß Elashi und war in der Khauranischen Wüste geboren worden. Ihre sehnige Gestalt mit den wohlgeformten Brüsten verriet, daß sie an harte körperliche Arbeit gewöhnt war. Die langen Beine waren von vielen Märschen durchtrainiert. Sie trug über einer wollenen Bluse und einem Wollrock einen schweren Umhang, da es im Gebirge bitterkalt war. Die Füße steckten in hohen Stiefeln. An der linken Hüfte hing ein kurzes Krummschwert an einem Lederriemen.
»Die meisten Pferde waren bereits tot oder kurz vor dem Verenden«, verteidigte sich ihr Gefährte mit rauher Stimme. »Auf einem toten Gaul kommt man nur sehr langsam voran.«
Der Mann war ebenfalls jung, allerdings voll ausgewachsen. Er war sehr groß, hatte breite Schultern, muskelbepackte Arme und einen beeindruckenden Brustkasten. Eine gerade geschnittene blauschwarze Mähne umgab das glattrasierte Gesicht. Aus den blauen Augen leuchtete ein inneres durchdringendes Feuer. Er hieß Conan und entstammte dem wilden Bergvolk der Cimmerier, hoch oben im Norden. Auch er trug ein wollenes Hemd, wollene lange Beinkleider, schwere Stiefel und einen dicken Umhang. Das Langschwert an seiner Seite steckte in der Scheide. Es war aus uraltem gebläuten Eisen, und die Klinge war so scharf wie ein Rasiermesser.
»Ach nein! Was du nicht alles weißt!« fuhr Elashi ihn wütend an. »Manchmal frage ich mich wirklich, wozu du nütze bist, du blöder Barbar!«
Conan schüttelte den Kopf. Seit er Elashi im Tempel der Suddah Oblaten zum erstenmal getroffen hatte, war sein Leben alles andere als langweilig verlaufen. Sie hatten eine schöne Zombie-Frau bezwungen und die blinden Priester eines bösen Zauberers und seine untoten Diener erfolgreich bekämpft. Beinahe wären sie mehrmals auf dem Marsch erdolcht worden. Obwohl er mit Elashi nachts meist unter einer Decke geschlafen hatte, hielt sie ihm bei jeder Gelegenheit flammende Reden, in welchen sie ihm seine Fehler – wahr oder eingebildet – vorhielt.
»Gestern abend, als das Feuer allmählich erlosch, hast du dich aber nicht beklagt«, entgegnete der Cimmerier und lächelte.
Nach mehreren Sekunden konnte Elashi nicht mehr ernst bleiben und mußte ebenfalls lächeln. »Nun, Ausnahmen bestätigen die Regel.« Dann ging sie einige Schritte schweigend weiter. »Aber wir hätten für derartige Allianzen viel mehr Energie, wenn wir Pferde besäßen und nicht zu Fuß gehen müßten.«
»Bei mir habe ich keinen Mangel an Energie bemerkt«, widersprach Conan. »Aber wenn wir uns schon etwas wünschen, das wir nicht haben, könnten es doch ebensogut ein Königreich sein mit zahllosen Dienern oder ein Palast aus purem Gold.«
»Ach, du, du – blöder Barbar!«
Conan grinste, und Elashi verfiel wieder in Schweigen. Nachdem der Cimmerier den ruchlosen Magier Neg getötet hatte, waren er und Elashi übereingekommen, gemeinsam weiterzuziehen, bis sich ihre Wege trennen würden. Conan wollte die verrufene Stadt Shadizar in Zamora aufsuchen, um sich dort als Dieb zu betätigen, während Elashis Pläne sie weiter in den Süden führten, ins heimische Khauran. Aufgrund der unterwegs eingeholten Kunde hatte Conan erfahren, daß die direkte Route nicht die beste war. Daher erschien es ihm ratsamer, den mehrtägigen Umweg durch Corinthien zu nehmen, ehe sie wieder nach Südosten und Zamora weiterwanderten. Während er gerade über diese Strecke nachdachte, machte der Pfad eine Wendung nach Westen und führte bergab.
Vielleicht lag dort unten ein Dorf oder eine Stadt, wo er seinem Diebeshandwerk nachgehen und genug Silber stehlen konnte, um
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