Sheylah und die Zwillingsschluessel
um ihr Leben gekämpft hatten. Sehr eigenartig, fand Sheylah. Andererseits hatte sie kein Recht, die Bräuche der Männer zu hinterfragen. Vielleicht war es üblich, die Spuren nach einer Schlacht so gründlich zu verwischen – was wusste sie schon. Sie wandte sich wieder Djego zu, der verspannt aussah. „Was hast du?“, fragte Sheylah und nahm einen Schluck Wasser. Djego schaute nervös in alle Richtungen, als befürchtete er, verfolgt zu werden, dann sprach er sehr leise: „Sheylah, ich glaube, du bist in Gefahr“, fing er an. „Ja, das glaube ich auch. Nach dem gestrigen Angriff …“, antwortete sie, wurde aber von Djego unterbrochen. „Du verstehst nicht“, doch weiter kam er nicht, denn Sheylah bemerkte, dass ein großer schlanker Mann auf sie zukam. Dann erkannte sie ihn. „Andrey“, rief sie und sprang auf. Sie war so erleichtert, ihn zu sehen, dass sie sich völlig vergaß und ihm kurzerhand um den Hals fiel. Er umarmte sie ein wenig unbeholfen, nicht sicher, wohin er seine Hände legen sollte, doch das störte Sheylah nicht. Als sie ihre Überraschung überwunden hatte, löste sie sich von ihm und schaute verlegen zu Boden. „Schön, dass du wieder da bist.“ Andrey lächelte, doch dann verdüsterte sich seine Miene, als sie die entscheidende Frage stellte: „Wo warst du bloß?“
Andrey, Djego und Sheylah hatten es sich auf einem umgekippten Baumstamm bequem gemacht, als Andrey erzählte. „Kurz nachdem du im Wald verschwunden warst, bin ich dich suchen gegangen. Dann hörte ich den Schrei der Skintii und mein Kopf drohte zu zerspringen. Plötzlich war ich von fünf Skintii umgeben, die mich vom Lager wegtrieben. Sie mussten gewusst haben, dass ich der Anführer bin. Vier konnte ich töten, doch der Fünfte war zu stark. Er vergiftete mich und lief auf das Lager zu. Da lag ich nun mitten im Wald, gelähmt durch sein Gift und nicht imstande, euch zu helfen. Erst nach drei Stunden war das Gift soweit abgeklungen, dass ich Hilfe rufen konnte. Als man mich dann herbrachte, war es zu spät. Du bist ziemlich lange bewusstlos gewesen, ich habe mir große Sorgen um dich gemacht.“ Er sah sie wieder eindringlich an, doch irgendetwas an seinem Blick war anders. Er nahm ihre Hand und küsste sie, Sheylah wurde puterrot im Gesicht und entzog sich ihm. „Was hast du?“, fragte Andrey sichtlich verletzt. „Nichts“, antwortete Sheylah und sah zu Djego herüber. „Du bist verletzt“, stellte Djego fest.
„Lass mich nach der Wunde sehen“, fügte er hinzu und streckte den Arm nach Andreys Schulter aus. „Nicht, das Gift ist noch nicht völlig weg.“ Djego warf Andrey einen durchdringenden Blick zu. „Mir geht es gut, Djego, du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen“, versicherte Andrey. Djego schnaubte und erhob sich „Würdest du mich kurz begleiten, Sheylah?“, fragte er und bot ihr seine Hand. Eigentlich wollte sie lieber bei Andrey bleiben und ihn versorgen, konnte das aber natürlich nicht laut sagen, deshalb zuckte sie mit den Schultern und stand auf. Andrey erhob sich ebenfalls, doch er hielt Sheylah zurück. „Vorher möchte ich noch etwas mit ihr besprechen“, forderte er und zog Sheylah zu sich. Djego schaute von einem zum anderen, verharrte noch eine Weile unschlüssig in seiner Position, dann verschwand er. Sheylah konnte seine Wut am ganzen Leib spüren. Was war nur mit ihm los? „Kannst du mir bitte verraten, was das gerade zwischen euch war?“, fragte Sheylah. Nun war sie es, die ihn eindringlich anschaute. Andrey seufzte und sagte: „Gehen wir ein Stück spazieren.“ Sheylah war gar nicht nach Spazieren zumute, sie wollte wissen, was mit Djego los war. Sie sagte jedoch nichts, sondern ließ sich von Andrey wegführen. Als sie eine Weile gelaufen waren, nahm Sheylah einen modrigen Geruch war und hielt sich die Hand vor den Mund. „Gott, was ist das?“, fragte sie, als sie nicht weit von ihnen einen rot schimmernden Haufen entdeckte.
„Ich würde dort nicht hingehen“, warnte Andrey und wollte sie zurückhalten, doch Sheylah war schon losgelaufen. Sie wusste, was sie sehen würde, trotzdem konnte sie ihre Füße nicht stoppen. Als sie vor dem Haufen stand und auf abgetrennte Gliedmaßen und rote Rüstungen blickte, würgte sie. Man hatte die Leichen übereinandergestapelt und noch nicht angezündet. Sie trat einen Schritt zurück, immer noch die Hand vor dem Mund. „Sind dort etwa …“ „Nur die Skintii. Eure … meine Männer haben ein anständiges
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