Sibirisches Roulette
Kettchen mit einem Kreuz, und das Kreuz war eingeklemmt zwischen ihren Brüsten.
Masuk wackelte bei diesem ungewohnten Anblick mit der Nase wie ein schnüffelnder Hund, setzte sich schwer auf die Ofenbank und streckte die Beine von sich.
»Ich bin zurück«, sagte er.
»Wer könnte das nicht sehen?« Svetlanas Stimme hatte einen hysterischen Klang, der Masuk aufhorchen ließ. Es war wie vor einem Gewitter; man spürte die in der Luft liegende Elektrizität. »Na, kommst du von deinem Hurenweibchen? Erst fliegt der Damm in die Luft und dann die Hose hinunter.«
»Halt das Maul!« sagte Masuk gequält. »Ich habe Hunger.«
»Hunger? Worauf? Auf Weiber? Geh hin, du Hurenkerl, und schleck sie ab! Glaubst du, ich weiß nicht, was geschieht?! Ein Pferdchen will er beschlagen in der Nachbarschaft. Nimmt auch sein Werkzeug mit. Aber was tut er? Im Wald beschläft er das glotzäugige Luder. Wie der Hund die Hündin … und das ist sie auch: eine gewissenlose Hündin!«
In Masuks Brust schwoll wieder der gefährliche Druck an, dessen Entladung fürchterlich war. Er drückte seine großen Schmiedhände wie Klammern um seine Knie und starrte die halbnackte Svetlana an. Ihre Brüste schaukelten wie Glocken, nur einen Ton gaben sie nicht ab.
»Das Maul sollst du halten«, knurrte er dunkel und verzog dabei den Mund, als wolle er spucken. »Eine Frau habe ich geheiratet, aber kein Drecksfrauenzimmer.«
»Eine Hündin ist sie, ja, ja, ja!« schrie Svetlana, ballte die Fäuste und schlug mit ihnen gegen die hölzerne Wand. »Und wer sitzt da mit breiten Beinen? Mein Mann? Nein, ein Hurenkerl, eine Sau …«
Sie verschluckte sich vor Zorn, begann zu husten, warf den nackten Oberkörper hin und her, und nun kam doch ein Laut aus den Glocken; sie klatschten aneinander mit dem Klang kräftiger Ohrfeigen. Angewidert erhob sich Masuk von seiner Ofenbank, trat vor Svetlana hin und gab ihr einen Stoß, daß sie auf die Bank fiel. Sie breitete die Arme aus, japste nach Luft und röchelte:
»Er greift mich an. Er bringt mich noch um. Helft mir! Hilfe! Er erschlägt mich, um mit seiner Hure zu gehen. In den Bauch hat er mich gestoßen. In den Bauch! O du räudiger Hund, du stinkendes Schwein!«
Sie hustete wieder, rang nach Atem, ergriff das goldene Kreuz an der Kette zwischen ihren Brüsten, führte es zum Mund und küßte es inbrünstig. »Mutter Gottes, nimm mich gnädig auf …« keuchte sie dabei. »Erschlagen will er mich, dieser elende Schuft …«
Lew Andrejewitsch, der wirklich im Sinn gehabt hatte, seine Frau zu verprügeln, wandte sich ab, strich die Handflächen aneinander und verzog sich wie ein Hund knurrend auf die weiter entfernte Eckbank. Ein dumpfer Druck lag auf seinem Gehirn. Sie weiß etwas, sagte er zu sich. Kein Wald, kein Sumpf ist so groß, als daß nicht auch dort Augen beobachten könnten. Jemand muß es ihr erzählt haben, und es ist jetzt gleichgültig, wer es war … sie weiß etwas, das bisherige Leben ist dahin, eine Furie werde ich nun im Hause haben, nicht eine Minute Ruhe gibt es mehr, wir werden uns prügeln und anspucken, die Hölle auf Erden wird's werden, und Soja bekommt ein Kind, mit Fingern werden sie auf mich zeigen und rufen: »Seht, da kommt Lew Andrejewitsch, der das blonde Teufelchen geschwängert hat. Ein so alter Bock, der sogar den Zicklein nachrennt. Lauert hinter den Büschen und wartet, bis sie vorbeispringen. Nicht umsonst heißt es doch: Je älter der Bock, um so härter das Horn … Hah, seht ihn nur, den starken Masuk … zu Hause werkelt die brave Svetlana, aber die Hose zieht ihm das Hürchen aus …« Genauso wird's sein. Lebedewka ist ein Dorf, in dem nichts verborgen bleibt; wo man sich die Mäuler zerreißt über alles und jeden. Anders als in einer Stadt, wo kaum einer den nächsten kennt und jeder sich nur um sich selbst kümmert; wo man einer von vielen ist mit einem eigenen Schicksal, das keinen interessiert. Ja, in einer Stadt müßte man leben.
Das Wort setzte sich in Masuk fest: Stadt!
Stadt. Große Stadt. Frei und allein unter Tausenden. Tjumen … Tobolsk … Swerdlowsk … Wer fragte da nach einem Kind außerhalb der Ehe?
So mache ich's, dachte Masuk, ruhiger werdend und plötzlich wie erlöst. Soja werde ich in die Stadt schicken, nach Tobolsk. Tobolsk ist am besten zu erreichen. Dort wird sie ihr Kind gebären, und die Mäuler hier bleiben stumm. Und in Tobolsk wird sie bleiben … nicht allein wird sie bleiben, so jung und schön wie sie ist, und so
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