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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Decke, fühlte unter seinen Händen Waljas warmen, glatten, pulsierenden Körper und atmete tief auf.
    Das sibirische Roulette war geschlossen. Rien ne va plus.
    Nichts geht mehr.
    Bist du jetzt glücklich, Igor Michailowitsch Jugorow?
    Und in dieser Nacht kam der Regen.
    Das war kein Regen. Nein, der Himmel platzte. Das Firmament war eine riesige Wanne, aus deren zerborstenem Boden ein Weltraummeer auf die Erde stürzte. Das Land ertrank, der Tobol überschwemmte die Ufer, die Sümpfe sogen sich voll wie Schwämme, von den Bäumen wurden die Blätter gewaschen, die Straßen und Wege wurden unpassierbar, ein zäher Brei hielt alles fest, was sich draußen bewegte. Kein Fahrzeug kam mehr durch, die Natur verlor ihre Farben und zog einen grauen Schleier über sich. Es gab keine Sonne mehr; nur ihr trübes Licht zeigte an, daß nicht auch sie ertrunken war.
    Neun Tage lang brach der Himmel auseinander und verhinderte jede Tätigkeit des Menschen. Am ersten Tag war es einer kleinen Kolonne von Lastwagen tatsächlich noch gelungen, von Tobolsk nach Nowo Gorodjina zu kommen: die versprochene neue Winterverpflegung. Zwar nur die Hälfte dessen, was in die Luft gesprengt worden war, aber immerhin ein Grundstock für die kommenden langen Monate in Schnee und Eis. Die drei Lastwagen, die mit einer neuen Kücheneinrichtung, vor allem mit den großen Kesseln beladen waren, fuhren erst gar nicht ab. Wenig Sinn hatte es, irgendwo auf der Strecke im tiefen Schlamm steckenzubleiben und eine unbestimmte Zeit warten zu müssen, bis der Boden zu frieren begann. Die Verpflegungskolonne mußte im Lager bleiben, richtete sich in einem leeren Haus ein und fluchte gottserbärmlich. Es konnte Wochen dauern, ehe die Straße vom Frost wieder so fest wurde, daß sie zu befahren war.
    Wer hatte jemals einen solchen Regen erlebt? Großväterchen Beljakow, seit dem Tod seines Enkelchens sichtlich verwirrter geworden, behauptete, so einen Regen habe er zuletzt im Jahre 1898 erlebt … Das war unmöglich, denn er war erst 1904 geboren worden. Auch das Begräbniszeremoniell für Andrej Nikolajewitsch ertrank förmlich im Regen. Wassja, der Arme, hob unter einem Zelt das Grab aus, aber was nutzte das? Von den Seiten lief das Wasser in die Grube, von unten drückte es hinauf, und als die Trauergäste auf dem Friedhof standen, über den Köpfen Zeltplanen oder Plastiksäcke, die man ihnen aus dem Lager geliehen hatte, sagte Wassja resignierend und seinen Wasserkopf schüttelnd: »Es geht nicht mehr … zwei Eimer schöpfe ich heraus und vier fließen nach. Er wird eine Weile sehr feucht liegen, unser lieber Andrej.«
    Was sollte man anderes tun? Der Sarg wurde in die mit Wasser gefüllte Grube gesenkt und ging unter wie ein leckes Boot. Dann schob Wassja eine Schicht Erde darüber, die sofort zu breiigem Schlamm wurde. Aber zugedeckt war er, wie es sich gehörte. Und wenn der Regen einmal aufhörte und das Wasser abfloß und versickerte, war Zeit genug, das Grab anständig zuzuschaufeln.
    Die Leute von Lebedewka standen dichtgedrängt beieinander, mit Wasser übergossen aus dem zerbrochenen Himmel, bis auf die Knochen durchnäßt – aber sie blieben stehen, sangen noch einen Choral und gingen erst dann, in die Plastiksäcke vermummt wie Gestalten aus einer anderen Welt, langsam in ihre Häuser zurück. Keine Totenfeier gab es, kein Gläschen Wodka, keinen Kuchen; der Regen ertränkte sogar die Lust an einem guten Leichenschmaus. Nur Großväterchen, der sich aus einer alten Militärzeltplane schälte, hockte später am Kamin, stützte sich auf seinen Stock, stierte ins Zimmer und fragte jeden, der in seinen Blick kam:
    »Wann sterbe ich? Warum lebe ich noch? Ist keiner da, der mir einen Knüppel auf den Kopf schlägt? Möglich muß es doch sein, mich umzubringen! Wie lange soll mein Enkelchen denn warten?«
    Aber noch ein anderes Grab war ausgehoben worden, ganz hinten auf dem Friedhof, an der Tannenhecke. Kabanow, der Schreiner, hatte sogar einen alten, rohen Sarg voller Risse geopfert. Als Dank, wie er betonte, für die Befreiung von Marfa Jakowna, seiner Frau. In diesen Sarg legten Korolew und Rudenko die Leiche Krasnikows, und im Grab an der Hecke fand er seine letzte Ruhe. Allein mit Korolew stand Schagin vor dieser Grube und betete, während das Meer aus dem Himmel auf sie niederstürzte.
    »Und war das Leben auch aus Sünde, Gott kann verzeihen, denn unendlich ist seine Güte«, sagte Schagin zu Krasnikows im Wasser stehenden Sarg. »Die Erde

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