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Sich lieben

Sich lieben

Titel: Sich lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Philippe Toussaint
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zueinander-, sondern auseinanderstrebend, antagonistisch, als würden wir uns gegenseitig die Lust streitig machen, statt sie zu teilen, hatte auch ich mich schließlich wie sie auf die Suche nach einer rein onanistischen Lust konzentriert. Und je länger diese Umarmung dauerte, je mehr die sexuelle Lust in uns anstieg wie Säure, um so stärker spürte ich die schreckliche unterschwellige Gewalt dieser Umarmung anwachsen.
    Wären wir jetzt beide zum Höhepunkt gekommen, hätten sich sehr wahrscheinlich unsere Sinne, durch die nervöse Anspannung und die seit Beginn der Reise angestaute Übermüdung erregt, besänftigen und wir eng umschlungen in diesem großen zerwühlten Bett in Tiefschlaf versinken können. Doch das Begehren wuchs noch immer, die Wollust überwältigte uns, und, mit zusammengepreßten Lippen und in den Armen des anderen stöhnend, liebten wir uns weiter in der Dunkelheit dieses Hotelzimmers, als ich plötzlich hinter mir ein winziges Klicken hörte, und im selben Augenblick war das Halbdunkel des Zimmers von einem marineblauen, schweigenden und beunruhigenden Lichtschein erhellt. Ohne äußere Einwirkung und in einer um so überraschenderen Stille, als nichts ihr vorausgegangen war noch ihr folgte, hatte sich der Fernseher im Zimmer von selbst eingeschaltet. Kein Programm war aktiviert worden, keine Musik und kein Ton drangen aus dem Empfänger, lediglich ein feststehendes, verschneites Bild, das auf dem Schirm in einem steten unmerklichen elektronischen Rauschen vor blauem Hintergrund eine Nachricht anzeigte. You have a fax. Please contact the central desk . Marie, die Augen noch immer verbunden mit der Seidenbrille, hatte von dieser Unterbrechung nichts bemerkt und fuhr fort, sich in meinen Armen im bläulichen Halbdunkel des Zimmers zu bewegen. Ich aber war, ungeachtet der brennenden Intensität meines Begehrens, durch den Vorfall wie vor den Kopf geschlagen, ich fixierte stumpfsinnig die stumme Nachricht auf dem Bildschirm und war auf einmal unfähig, unsere Umarmung auch nur einen Augenblick länger fortzusetzen. Außer Atem und schweißgebadet, hielt ich inne, und nachdem ich eine kurze Weile regungslos auf ihrem Körper liegengeblieben war, zog ich mich aus ihr zurück, wobei ich ihr, etwas Absurderes gibt es wohl nicht, zuflüsterte, wir hätten ein Fax erhalten. Ein Fax? Ich glaube, sie hörte nicht mal meinen Satz, oder verstand ihn nicht, versuchte jedenfalls gar nicht, ihn zu verstehen, so unzweideutig nahm sie mein Innehalten als eine Aggression, als willentlichen Akt, sie ihrer Lust zu berauben, sie um den Genuß, den Höhepunkt zu bringen. Auf dem Rücken im Bett liegend, brach sie schließlich stumm in Tränen aus, aus allen Ecken und Ritzen ihrer Seidenbrille drangen Tränen hervor, nicht nur unten, wo sie zwangsläufig über ihre Backenknochen und Wangen rannen, sondern auch oben, wo sie sich mit den Schweißperlen längs des Haaransatzes vermischten. Ich wollte etwas sagen, mich erklären, ihren Arm nehmen und sie beruhigen, doch meine Bemühungen, sie zu trösten, ließen sie nur noch zorniger, aggressiver werden, die geringste Berührung meiner Hände auf ihrer Haut ließ sie erschauern. Gepackt von Weinkrämpfen auf dem Bett, stieß sie mich mit den Füßen und Händen weg und schrie mich an, abzuhauen. Du kotzt mich an, wiederholte sie, du kotzt mich an.
    Ich stand im Bad und betrachtete meine nackte Gestalt im halbdunklen Spiegel. Beim Eintreten hatte ich kein Licht angemacht, und so konkurrierten zwei gegensätzliche Lichtquellen um die relative Dunkelheit des Raums, der bläuliche Schimmer vom Bildschirm des Fernsehgeräts, der noch immer im angrenzenden Zimmer glänzte, wo ich Marie leise in die Decken schluchzen hörte, und der schmale goldene Streifen der Nachtbeleuchtung unten am Kleiderschrank, die bei meinem Gehen über den Flur automatisch angegangen war. Ich konnte kaum Züge und Konturen meines Gesichts im großen Wandspiegel oberhalb des Waschbeckens erkennen. Die Badewanne hinter mir spiegelte sich im Halbdämmer, auf dem Wannenrand ein zerknüllter Bademantel, auf dem Boden mehrere Handtücher, andere, noch unbenutzte, gefaltet in ihren metallenen Wandregalen. Auf der Ablageplatte des Waschbeckens stand deutlich sichtbar neben Maries zahllosen Schönheitsprodukten, kleinen Flaschen und Tuben, Puderdose, Lippenstift, Lidstrich, Rouge, Wimperntusche, auch mein Kulturbeutel, den ich kurz zuvor geöffnet hatte. Von meinem Gesicht im Dunklen tauchte nur mein Blick

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