Sie
einen Pfeil auf eine flüchtende Antilope abschoß.
Doch zurück zu dem Fest. Fast eine ganze Stunde lang geschah nichts, außer daß immer wieder der Krug herumgereicht und hin und wieder Holz in das Feuer geworfen wurde. Niemand sprach ein Wort. In tiefem Schweigen saßen wir da und starrten in das große flackernde Feuer und auf die tanzenden Schatten, welche die irdenen Lampen an die Wände warfen. Zwischen uns und dem Feuer lag ein großes Holzbrett mit vier Griffen, das einem Fleischertrog ähnelte, nur daß es nicht ausgehöhlt war. Daneben lag eine lange eiserne Zange, und auf der anderen Seite des Feuers eine zweite. Irgendwie erfüllte mich der Anblick des Brettes und der beiden Zangen mit Unbehagen. Ich saß da, starrte sie und die schweigsamen Männer mit ihren finsteren Gesichtern an und mußte daran denken, daß wir uns völlig in der Gewalt dieser Leute befanden, welche, zumindest mir, um so unheimlicher waren, als wir von ihrem wahren Wesen noch immer so gut wie nichts wußten. Vielleicht waren sie besser, als ich dachte, vielleicht aber auch viel schlimmer. Ich fürchtete das letztere, und ich sollte mich nicht täuschen. Es war ein eigenartiges Fest, denn es gab nicht das geringste zu essen.
Schließlich, als ich mir schon fast wie hypnotisiert vorkam, geschah endlich etwas. Ganz plötzlich rief ein Mann auf der anderen Seite des Kreises mit lauter Stimme: »Wo ist das Fleisch, das wir essen werden?«
Daraufhin streckten alle den rechten Arm aus, deuteten auf das Feuer und antworteten einstimmig in tiefem, feierlichem Ton:
»Das Fleisch wird kommen.«
»Ist es eine Ziege?« fragte der Mann.
»Es ist eine Ziege ohne Hörner, und mehr als eine Ziege, und wir werden sie töten« , antworteten sie im Chor, und zugleich wandten sie sich halb um, umklammerten mit der rechten Hand die Griffe ihrer Speere und ließen sie wieder los.
»Ist es ein Ochse?« fragte der Mann.
»Es ist ein Ochse ohne Hörner, und mehr als ein Ochse, und wir werden ihn töten« , lautete die Antwort, und wieder umklammerten sie ihre Speere und ließen sie wieder los.
Nun folgte eine Pause, und ich sah voll Entsetzen, daß die Frau, die neben Mahomed saß, ihn zu liebkosen begann; sie streichelte seine Wange und gab ihm allerlei Kosenamen, wobei sie seine zitternde Gestalt mit funkelnden Augen von oben bis unten musterte. Ich weiß nicht, warum uns dieser Anblick so erschreckte, doch wir waren alle zutiefst entsetzt, besonders Leo. Die Bewegungen, mit denen die Frau Mahomed liebkoste, glichen denen einer Schlange und waren offenbar Teil einer unheimlichen feststehenden Zeremonie. *
Ich sah, wie Mahomed unter seiner braunen Haut erbleichte und vor Angst kreideweiß wurde.
»Ist das Fleisch zum Kochen bereit?« fragte wieder die Stimme, doch diesmal viel schneller.
»Es ist bereit, es ist bereit.«
»Ist der Topf heiß?« kreischte schrill die Stimme, und das Echo hallte schrecklich von den hohen Wänden der Höhle zurück.
»Er ist heiß, er ist heiß.«
»Großer Gott«, rief Leo. »Denk an die Inschrift auf der Scherbe: ›Das Volk, das Fremden Töpfe auf die Köpfe setzt‹! «
Noch während er es sagte und bevor wir irgend etwas tun konnten, sprangen zwei hünenhafte Kerle auf, packten die langen Zangen und stießen sie mitten ins Feuer, und das Weib, welches Mahomed liebkost hatte, zog plötzlich unter ihrem Gürtel eine aus Fasern geflochtene Schlinge hervor, warf sie ihm über die Schultern und zog sie zu, während die beiden neben ihm sitzenden Männer seine Beine umklammerten. Die beiden Kerle mit den Zangen schürten das Feuer auf, so daß die glühenden Holzscheite nach allen Richtungen davonflogen, und hoben einen großen irdenen, bis zur Weißglut erhitzten Topf daraus hervor. Im nächsten Augenblick waren sie, fast mit einem Satz, bei Mahomed, der sich verzweifelt wehrte. Er schlug laut brüllend um sich, und trotz der Schlinge und der Anstrengungen der beiden Männer, welche seine Beine festhielten, waren die zwei Kerle im Augenblick außerstande, ihr Vorhaben auszuführen, welches, so grauenhaft und unglaublich es scheinen mag, darin bestand, ihm den glühenden Topf über den Kopf zu stülpen.
Mit einem Schreckensschrei sprang ich auf, zog meinen Revolver und feuerte instinktiv auf das teuflische Weib, das Mahomed liebkost hatte und ihn jetzt mit ihren Armen umschlang. Die Kugel traf sie in den Rücken und tötete sie, und heute noch bin ich froh darüber, denn später erfuhr ich, daß sie sich die
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