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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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schön gefärbten Leopardenfellen zum Zudecken.
    Hier ließen wir den immer noch tief schlafenden Leo zurück, und Ustane blieb bei ihm. Ich bemerkte, daß der Stumme sie mit einem scharfen Blick ansah, als wollte er sagen: »Wer bist du, und wer hat dir befohlen, hierherzukommen?« Sodann führte er uns in einen anderen, ähnlichen Raum, den Job nahm, und darauf zu zwei weiteren, in denen Billali und ich uns niederließen.

12
     
    ›Sie‹
     
     
    Nachdem wir Leo versorgt hatten, war es Jobs und meine erste Sorge, uns zu waschen und unsere Kleider zu wechseln, denn seit dem Untergang der Dhau hatten wir keine Gelegenheit gehabt, uns umzuziehen. Zum Glück war, wie ich wohl erwähnte, der größte Teile unserer persönlichen Sachen in dem Walboot verstaut und deshalb gerettet und von den Trägern hierhergebracht worden, während sämtliche als Tauschobjekte und Geschenke für die Eingeborenen vorgesehenen Dinge verlorengegangen waren. Fast unsere ganze Kleidung bestand aus sehr festem grauen Flanell, der sich für Reisen in jenen Gegenden ausgezeichnet eignete. Obwohl nämlich Jackett, Hemd und Hose aus diesem Stoff nur etwa vier Pfund wogen – in tropischen Ländern, wo man jede zusätzliche Unze spürt, ein sehr wesentlicher Umstand –, schützte er sehr gut vor den Sonnenstrahlen, doch auch vor der Kälte, die bei plötzlichen Temperaturwechseln eintreten kann.
    Nie werde ich das angenehme Gefühl vergessen, das mich erfüllte, nachdem ich mich gewaschen und die reinen Flanellkleider angezogen hatte. Das einzige, was zu meiner vollen Zufriedenheit fehlte, war ein Stück Seife, das wir leider nicht besaßen.
    Später fand ich heraus, daß die Amahagger, zu deren vielen unsympathischen Eigenschaften wenigstens nicht Unreinlichkeit gehört, zum Waschen eine Art gebrannter Erde benützten, die anfangs zwar ziemlich unangenehm für die Haut ist, doch einen recht guten Seifenersatz darstellt.
    Als ich mich angekleidet und meinen schwarzen Bart gekämmt und gestutzt hatte, dessen ungepflegter Zustand Billali nicht ganz zu Unrecht veranlaßt hatte, mich ›Pavian‹ zu nennen, verspürte ich einen wahren Heißhunger. Ich war deshalb nicht böse, als ohne jedes vorherige Geräusch der Vorhang vor dem Eingang meiner Kammer zurückgeschlagen wurde und lautlos ein junges Mädchen eintrat, das mir durch eine nicht mißzuverstehende Gebärde – sie öffnete den Mund und deutete mit dem Finger darauf –, kundtat, daß etwas zum Essen bereit sei. Ich folgte ihr in die nächste Kammer, die ich noch nicht betreten hatte, und fand dort Job vor, welcher ebenfalls – zu seiner großen Verlegenheit – von einer schönen Stummen dorthin geführt worden war. Job hatte die Gunstbeweise der anderen Amahaggerdame nicht vergessen und verdächtigte nun jedes Mädchen, das ihm nahe kam, ähnlicher Absichten.
    »Einfach unverschämt, wie diese Weiber einen anglotzen«, sagte er zu seiner Entschuldigung.
    Diese Kammer war etwa zweimal so groß wie unsere Schlafräume, und ich erkannte auf den ersten Blick, daß sie früher einmal als Speisezimmer und vermutlich auch als Einbalsamierungsraum für die Totenpriester gedient hatte. Ich möchte gleich hier erwähnen, daß diese in den Fels geschlagenen Höhlen nichts anderes als riesige Katakomben darstellten, in denen man viele Jahrhunderte lang die sterblichen Überreste der Angehörigen jenes großen ausgestorbenen Volkes, dessen Denkmäler uns umgaben, mit unvorstellbarer Kunstfertigkeit konserviert und sodann für alle Zeiten beigesetzt hatte. Auf jeder Seite dieser Felsenkammer stand ein langer, etwa drei Fuß breiter und sechs Fuß hoher Tisch, der aus dem Fels herausgemeißelt und am Boden noch mit ihm verbunden war. Diese Tische waren leicht ausgehöhlt oder nach innen gebogen und boten so Platz für die Knie der Personen, welche auf zwei Fuß davon entfernten, sich die Höhlenwand entlangziehenden Bank saßen. Außerdem befand sich über jedem Tisch ein Schacht, durch den Licht und Luft eindrangen. Als ich die Tische näher untersuchte, bemerkte ich jedoch einen Unterschied zwischen ihnen, der mir zuerst entgangen war: der links vom Eingang stehende hatte offenbar nicht zum Essen, sondern zum Einbalsamieren gedient. Man sah dies ganz deutlich an den fünf flachen Vertiefungen in seiner Oberfläche, die wie menschliche Körper geformt waren, sowie an den kleinen runden Vertiefungen jeweils an ihrem einen Ende, die zweifellos für den Kopf bestimmt gewesen waren. Die Vertiefungen

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