Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Zeichen für die Quadratwurzel.
Der Arkussinus war das gleiche Sigma, aber spiegelverkehrt von rechts nach links, so daß das Zeichen mit der horizontalen Linie anfing, unter der der Wert stand, und dann kam das Sigma. Das war der Arkussinus, NICHT, sin -1 f - das war verrückt! Das stand in den Büchern! Für mich bedeutete sin -1 den Kehrwert, l ⁄ sin . Meine Symbole waren also besser.
Das Zeichen f(x) gefiel mir auch nicht - für mich sah das aus wie f mal x. Ebensowenig mochte ich dy ⁄ dx - man läßt die d's leicht weg -, deshalb machte ich ein anderes Zeichen, so etwas wie ein &-Zeichen. Für Logarithmen war es ein großes, nach rechts hin verlängertes L, in das das, wovon man den Logarithmus nimmt, hineingeschrieben wurde, und so weiter.
Ich fand, meine Symbole seien ebenso gut - wenn nicht besser - wie die regulären Symbole - es ist ganz egal, welche Symbole man verwendet -, aber später entdeckte ich, daß es doch nicht egal ist. Als ich nämlich einmal auf der High School einem anderen Jungen etwas erklärte, machte ich zunächst, ohne zu überlegen, diese Symbole, und er fragte: »Was zum Teufel ist das denn?« Da wurde mir klar, daß ich, wenn ich mit jemand anderem sprach, die Standardsymbole benutzen mußte, und deshalb gab ich schließlich meine eigenen Symbole auf.
Ich hatte auch eine Reihe von Symbolen für die Schreibmaschine erfunden, so ähnlich wie bei FORTRAN, damit ich Gleichungen tippen konnte. Ich reparierte auch Schreibmaschinen, und zwar mit Büroklammern und Gummibändern (die hielten in New York länger als hier in Los Angeles); aber ein professioneller Handwerker war ich nicht; ich brachte sie bloß in Ordnung, damit sie wieder funktionierten. Aber das ganze Problem: zu entdecken, was los war, und herauszukriegen, was man tun muß, um sie wieder in Gang zu bringen - das hat mich interessiert, wie ein Rätsel.
Grüne Bohnen
Ich muß siebzehn oder achtzehn gewesen sein, als ich einen Sommer in einem Hotel arbeitete, das von meiner Tante geführt wurde. Ich weiß nicht, wieviel ich verdiente - zweiundzwanzig Dollar im Monat, glaube ich -, und ich arbeitete abwechselnd den einen Tag elf Stunden und den nächsten dreizehn als Portier oder als Aushilfskellner im Restaurant. Und nachmittags, wenn man Portier war, mußte man Mrs. D., einer körperbehinderten Frau, die uns nie Trinkgeld gab, die Milch hinaufbringen. So war nun mal die Welt: Man arbeitete viele Stunden lang und bekam nichts dafür, und das jeden Tag.
Es war ein Urlaubshotel, am Strand, an der Peripherie von New York. Die Männer fuhren zur Arbeit in die Stadt, und die Frauen blieben da, um Karten zu spielen, deshalb mußte man immer die Bridge-Tische hinausstellen. Abends spielten die Männer dann Poker, da mußte man die Tische für sie bereitstellen - die Aschenbecher sauber machen und so weiter. Ich war immer bis spät nachts auf, so bis gegen zwei Uhr, das heißt, es waren wirklich elf oder dreizehn Stunden pro Tag.
Manche Sachen konnte ich nicht ausstehen, zum Beispiel Trinkgelder. Ich fand, es sei besser, mehr bezahlt zu bekommen und keine Trinkgelder nehmen zu müssen. Aber als ich das der Chefin vorschlug, erntete ich nichts als Gelächter. Sie erzählte jedem: »Richard will kein Trinkgeld, hi, hi, hi; er will kein Trinkgeld, ha, ha, ha.« Die Welt ist voll von solchen blöden Schlaubergern, die überhaupt nichts verstehen.
Jedenfalls, irgendwann wohnten da ein paar Männer, und wenn die aus der Stadt von der Arbeit zurückkamen, wollten sie sofort Eis für ihre Drinks haben. Nun, der andere Bursche, der mit mir arbeitete, war wirklich Portier gewesen. Er war älter als ich und viel professioneller. Eines Tages sagte er zu mir: »Hör mal, wir bringen diesem Kerl, diesem Ungar, doch immer das Eis rauf, und der gibt uns nie Trinkgeld - nicht mal zehn Cents. Das nächste Mal, wenn die Eis haben wollen, tust du einfach gar nichts. Die werden dich dann noch mal anrufen, und wenn sie wieder anrufen, sagst du: >Oh, tut mir leid. Habe ich vergessen. Wir sind ja alle mal vergeßlich.<«
So machte ich's dann auch, und Ungar gab mir fünfzehn Cents! Aber wennn ich mir das jetzt im nachhinein überlege, wird mir klar, der andere Portier, der professionelle, der hat wirklich gewußt, wie man's macht: rede dem anderen ein, daß er das Risiko eingehen muß, Ärger zu bekommen. Er hat mich das erledigen lassen, diesen Kerl darauf zu trimmen, Trinkgeld zu geben. Er selbst hat nie was gesagt; er brachte mich dazu, es zu
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