Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Abend vorher fand ein Essen statt, und der Mann, der neben mir Platz nahm, war niemand anders als Professor Onsager, ein hervorragender Experte auf dem Gebiet der Festkörperphysik und der Probleme des flüssigen Heliums. Er war einer von denen, die nicht viel sagen, aber jedesmal, wenn er etwas sagte, hatte es Gewicht.
»Na, Feynman«, sagte er verdrießlich, »wie ich höre, glauben Sie, Sie hätten das flüssige Helium verstanden.«
»Nun, ja...«
»Hmmmpf.« Und das war alles, was er während des ganzen Essens zu mir sagte! Ermutigend war das nicht gerade.
Am nächsten Tag hielt ich meinen Vortrag und legte alles über das flüssige Helium dar. Am Ende bedauerte ich, daß es immer noch etwas gebe, das ich nicht herausgebracht hätte: nämlich ob der Übergang zwischen der einen und der anderen Phase des flüssigen Heliums eine Phasenumwandlung erster Ordnung (wie beim Schmelzen eines Festkörpers oder beim Kochen einer Flüssigkeit - wobei die Temperatur konstant ist) oder zweiter Ordnung ist (wie man sie manchmal beim Magnetismus beobachtet, wobei die Temperatur sich verändert).
Da stand Professor Onsager auf und sagte mürrisch: »Also, Professor Feynman ist neu auf unserem Gebiet, und ich denke, er muß aufgeklärt werden. Es gibt etwas, das er wissen sollte, und wir sollten es ihm sagen.«
Ich dachte: »Heiliger Strohsack! Was hab' ich bloß falsch gemacht?«
Onsager fuhr fort: »Wir sollten Feynman sagen, daß es niemand geschafft hat, die Ordnung irgendeiner Umwandlung von den Grundlagen her zu bestimmen, so daß die Tatsache, daß ihm seine Theorie nicht erlaubt, die Ordnung korrekt zu ermitteln, nicht bedeutet , daß er nicht alle anderen Aspekte des flüssigen Heliums hinreichend verstanden hätte.« Es stellte sich heraus, daß er mir ein Kompliment machen wollte, aber so, wie er angefangen hatte, hatte ich gedacht, jetzt würde ich wirklich Prügel kriegen.
Schon einen Tag später klingelte in meinem Zimmer das Telephon. Es war das Nachrichtenmagazin Time. Der Anrufer sagte: »Wir interessieren uns sehr für Ihre Arbeit. Haben Sie eine Kopie Ihres Vortrages, die Sie schicken könnten?«
Mein Name hatte noch nie in Time gestanden, und ich war sehr aufgeregt. Ich war stolz auf meine Arbeit, die bei dem Kongreß gut aufgenommen worden war, und sagte: »Sicher!«
»Schön. Schicken Sie sie bitte an unser Büro in Tokio.« Er gab mir die Adresse. Ich fühlte mich großartig.
Ich wiederholte die Adresse, und der Anrufer sagte: »Stimmt genau. Vielen Dank, Mr. Pais.«
»Oh, halt!« sagte ich unangenehm überrascht. »Ich bin nicht Pais. Sie wollen mit Pais sprechen? Entschuldigen Sie. Ich werde ihm sagen, daß Sie mit ihm sprechen wollen, wenn er wiederkommt.«
Ein paar Stunden später kam Pais herein: »He, Pais! Pais!« sagte ich aufgeregt. »Time hat angerufen! Die wollen, daß du ihnen 'ne Kopie von deinem Vortrag schickst.«
»Ach!« sagt er. »Publicity ist 'ne Hure!«
Ich stand doppelt dumm da.
Inzwischen habe ich herausgefunden, daß Pais recht hatte, aber damals dachte ich, es müsse wunderbar sein, im Time-Magazine zu stehen.
Das war das erste Mal, daß ich in Japan war. Ich war erpicht darauf, wieder dorthin zu kommen, und sagte, ich würde an jede Universität gehen, an der sie mich haben wollten. So arrangierten die Japaner, daß ich einer ganzen Reihe von Orten jeweils für ein paar Tage einen Besuch abstatten konnte.
Aber dieses Mal begleitete mich Mary Lou, die ich inzwischen geheiratet hatte, und wo wir auch hinkamen, überall tat man etwas für unsere Unterhaltung. In einer Stadt führten sie extra für uns eine ganze Tanzzeremonie vor, die sonst nur für große Touristengruppen gezeigt wird. In einer anderen Stadt wurden wir gleich am Schiff von allen Studenten begrüßt. Anderswo holte uns der Bürgermeister ab.
Einmal wohnten wir in einem kleinen, bescheidenen Haus in den Wäldern, in dem früher der Kaiser gewohnt hatte, wenn er in die Gegend kam. Es war ein lieblicher Platz, von Wäldern umgeben, einfach herrlich, an einem mit Bedacht ausgewählten Flüßchen. Der Ort strahlte eine gewisse Ruhe aus, eine ruhige Anmut. Daß der Kaiser einen derartigen Ort aufsuchte, zeugt, denke ich, von einer größeren Empfänglichkeit für die Natur als wir im Westen sie kennen.
Überall in diesen Städten erzählten mir die Leute, die auf dem Gebiet der Physik arbeiteten, womit sie sich beschäftigten, und ich diskutierte mit ihnen darüber. Sie erzählten mir, an welchem
Weitere Kostenlose Bücher