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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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er, wilde Sprünge und Beschleunigungen im Kopf.
    »Arbeit oder Tourismus?«, wiederholt der Typ. Er hat eine schlaffe weiße Haut, freudlose Lippen, Augen, die nichts sehen.
    »Tourismus, Tourismus, Tourismus!«, sagt er. »Können Sie mir jetzt bitte den Stempel geben?«
    Der Uniformierte genießt es offenbar, seiner Hast einen Riegel vorzuschieben: »Was ist das Problem?«
    »Das Problem ist, dass ich eine Person einholen muss!«, sagt er zappelig. »Wenn sie den Flughafen verlässt, werde ich sie für immer verlieren!«
    Den Uniformierten scheint seine Geschichte kein bisschen zu beeindrucken; im Gegenteil, er verschärft sein peinlich genaues Verhör über die Gründe und die Dauer des Aufenthalts in Kanada. Er vergleicht das Foto im Pass, den er in der Hand hält, mit dem Gesicht, das er vor sich hat, gibt die Daten auf einer Tastatur ein, um sie mit der Datenbank der international gesuchten Terroristen und Verbrecher zu vergleichen; dann braucht er noch ganze weitere Minuten, um sich zu entschließen, den Pass zu stempeln und ihn durch den Schalter zu reichen.
    Er reißt ihn dem Mann aus der Hand, macht einen Satz vorwärts und läuft in die Richtung, wo er den orangefarbenen Koffer und die lockigen Haare, die vielleicht nicht Clare Moletto gehörten, aber vielleicht doch, hat entschwinden sehen. Schnell geht er an den Laufbändern der Gepäckausgabe und an den Rücken, Bäuchen und Köpfen vorbei, die auf ihre Koffer warten, überholt die Passagiere, die ihre Sachen schon geholt haben und sie zur Ankunftshalle hinter sich herziehen. Er will quer durch die Zollkontrolle eilen, als eine dicke Frau in Uniform ihn mit offener Hand aufhält: »Ihr Gepäck?«
    »Ich habe kein Gepäck«, sagt er.
    »Wieso haben Sie kein Gepäck?«, fragt die dicke Frau in Uniform.
    »Ich habe keins.« Durch die mattierten Glastüren, die sich jedes Mal, wenn ein Reisender hinausgeht, öffnen und wieder schließen, versucht er zu erkennen, was in der Ankunftshalle vorgeht.
    Die Frau in Uniform mustert ihn mit einem dumpfen Blick, in dem irgendwelche Artikel einer Verordnung herumschwimmen.
    »Ist es jetzt verboten, ohne Gepäck zu reisen?« Am liebsten würde er sie am Kragen packen, beiseiteschleudern und weiterrennen. »Verstößt es gegen das Gesetz?«
    Sie sieht ihn immer noch ratlos an, auf der Suche nach einem Grund, um ihn noch länger aufzuhalten oder sogar zurückzuschicken.
    »Hören Sie, Ihr Kollege hat mir eben das Visum erteilt!« Er wedelt mit dem aufgeschlagenen Pass. »Er hat mir hundert Fragen gestellt, und dann hat er mir diesen Stempel gegeben, sehen Sie?«
    Stumpfsinnig scheint die Frau die drei in Frage kommenden Möglichkeiten zu erwägen: eine Prinzipienfrage daraus zu machen, einen Kollegen oder Vorgesetzten zu rufen oder ihn durchzulassen. Schließlich entscheidet sie sich für Letzteres, macht ihm mit dem Kopf ein Zeichen weiterzugehen.
    Er läuft durch die mattierten Glastüren, läuft durch die von blendendem weißem Licht durchflutete Ankunftshalle, vorbei an Verwandten und Kollegen und Firmenabgesandten mit auf Papier und Kartons geschriebenen Namen, vorbei an der Informationstheke, am Wechselschalter und an einem Cafe und hinaus aus den durchsichtigen Glastüren auf den Gehsteig, wo die Taxis und Busse halten. Einer der Busse fährt gerade an, über der Windschutzscheibe leuchtet die led-Schrift Downtown. Er versucht zu sehen, wer drinnen sitzt, doch während er daran entlanggeht, wird ihm klar, dass er niemals beide Seiten kontrollieren kann, weil der Bus jetzt beschleunigt, daher lässt er ihn an sich vorbeifahren und überprüft nur die rechte Seite; ganz hinten, auf einem der letzten Plätze, meint er die Locken zu sehen, die vielleicht Clare Moletto gehören. Wieder ist er nicht sicher, denn die Scheiben sind getönt und spiegeln, und der Bus ist in Bewegung, und die Schärfe seines Blicks und die Dekodierungsfähigkeit seines Gehirns sind in diesem Augenblick alles andere als verlässlich.
    Doch er ist nicht bereit, negativen Wahrscheinlichkeiten Raum zu geben, selbst wenn sie die positiven überwiegen sollten: Seine Gedanken und seine Muskel- und Herz-Kreislauf-Tätigkeit sind ganz darauf eingestellt, dass die im Bus sitzende Frau sie ist. Er läuft an der Reihe von Taxis vorbei, rasend, weil an jedem Taxi schon ein Einzelner oder ein Paar oder eine ganze Familie von Reisenden damit beschäftigt ist, die Autotüren zu öffnen und Gepäck einzuladen, mit einem Phlegma, das von der Müdigkeit nach

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