Sieben auf einen Streich
stammen.
Dieser Zustand dauerte so lange an, bis draußen auf dem Gang der Wubbel die
Gitarre an die Wand donnerte. Da endlich packte den sanften Yogi der Zorn, er
stürmte hinaus, um seine Gitarre zu retten.
»Gib sie her! Menschenskind, du machst
sie mir noch hin!«
Der Wubbel gab die Gitarre jedoch nicht
aus den Händen, sondern ließ sich mit ihr ins Zimmer schleifen, wo der
Harztiger auf dem Bettrand hockte, seine Nase abwechselnd in Fränzchens
Taschentuch und in ihren Brief steckte und von den Ereignissen um sich her auch
nicht das geringste wahrnahm.
»Wubbel will Sotolate!« sagte der
Kleine zum Yogi, und aus der Festigkeit in seinem Stimmchen war zu entnehmen,
daß er nicht gewillt war, die Gitarre ohne Belohnung herauszugeben.
»Ich hab’ keine Schokolade!« knurrte
der Yogi.
»Doch, du hast«, rief der Wubbel, »in
dein Suh!«
Diese Worte wiederholte er so lange,
bis der Yogi schließlich nachgab und seinen Stiefel auszog. Er kramte darin,
fand etwas, sank auf den Bettrand, entfaltete den Brief, drückte das Medaillon
ans Herz und vergaß den Wubbel. Der unterzog den Stiefel noch einmal einer
sorgfältigen Prüfung, fand aber nichts darin, was ihn hätte erfreuen können,
und trottete maulend aus dem Zimmer.
Jette dagegen fühlte einen Fremdkörper
in ihrem Pantoffel. Sie zog den Fuß heraus, und siehe, zwischen dem zweiten und
dritten Zeh steckte das Soldatenbildchen ihres Vaters. Sie warf es zu den
Kinderbildern, nahm den Packen und begab sich abermals ins elterliche Kämmerlein.
Dort war Vater Florian eben bei der 48. Kniebeuge angelangt und Mutter Beate
beim Zähneputzen. Beide verharrten in ihrer Bewegung, als die Tochter
hereinbrauste und peinlich berührt auf den kniegebeugten Vater starrte und auf
die zähneputzende Mutter, welche ihre Blöße nur spärlich mit der Pyjamajacke
des Vaters bedeckte.
»Hast du kein eigenes Nachthemd,
Mutter?«
Beate schluckte vor Schreck ein gut
Teil Zahnpasta hinunter und hustete dann Entschuldigungen hervor. »Vera hat
ihres vergessen... sie friert... Michaels Jacke ist zu groß...«
»Wie kann man nur... in deinem Alter!«
schnaubte Henriette. Aus ihrer Stimme klang so schmerzliche Entrüstung, als sei
sie eben Zeuge einer abscheulichen Ausschweifung geworden, und als die Mutter
den Mund zu neuen Entschuldigungen öffnete, fuhr ihr die Tochter ein zweites
Mal dazwischen: »Du brauchst mir nichts mehr zu erzählen!«
»Da hast du allerdings recht!« sprach
Beate, die sich nun endlich gefaßt hatte. »Ich brauche mich wahrhaftig nicht
vor dir zu entschuldigen!«
»Gib die Bilder her und verschwinde!
Aber dalli!« Das kam von Florian.
Jette warf den Packen auf sein Bett und
lief hinaus. Florian bückte sich nach dem Bildchen, das zu Boden gefallen war.
Er hob es auf und mußte nicht einmal die Brille holen, um zu wissen, was da zu
sehen war. Er hatte das Soldatenbild nie leiden können, nie! Jette hatte es ihm
abgebettelt. »Du siehst toll darauf aus«, hatte sie gesagt. »Ich brauch’s für
mein Medaillon. Bitte, Floh, gib es mir...«
Er war dabei, das Bild zu zerreißen, als
die Tür wieder aufflog und Henriette zum dritten Mal an diesem Morgen erschien.
»Verzeihung, ich hab’ was verloren!«
rief sie, machte zwei große Schritte zum Bett hin und wühlte in den Bildern.
Dann sah sie die beiden Fetzen, die aus Florians Fingern auf den Boden
flatterten. Sie hielt ihre Hände darunter und fing sie auf.
»Die sind’s, die hab’ ich gesucht. O
Floh, warum hast du’s zerrissen?«
Kurz nur und ungeschickt drückte sie
ihre Stirn an Florians Schulter, lief hinüber zu Beate, legte den Arm um sie,
sagte: »Manchmal bin ich unheimlich blöd!« und verschwand.
Florian putzte sich umständlich die
Nase.
»Ab und zu sieht sie klar«, meinte er
dann, »das heißt mich hoffen!«
Hierauf machte er noch zwei Kniebeugen,
denn fünfzig waren sein Tagespensum.
Schwangerer Koffer
und schmerzlicher Abschied
Das Frühstück verlief in schönster
Harmonie. Wehmütig überschütteten wir einander mit Kaffee, Brötchen und Liebe.
Andreas hatte sich einenPlatz neben Klaus-Peter erobert. So kam er ein letztes Mal
in den Genuß von dessen wunderbarer Bereitschaft, zuzuhören. Er erzählte dem
Onkel von dem Telefon, das er gebaut, und von der Leitung, die er durch den
Belüftungsschacht des Klos bis hinunter in den Keller geführt habe. Auf diese
Weise könne die Mutti nun jeden, der im Keller wäre, ohne Mühe zum Essen rufen.
Der Onkel zeigte größtes
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