Sieben Jahre später
Gedanken die verschiedenen Optionen durch. Freunde? Er hatte wohl einige »Bekannte«, aber niemanden, der ihm nah genug stand und vertrauenswürdig war, um ein so intimes Problem zu besprechen. Sein Vater war im letzten Jahr gestorben, seine Mutter war nicht wirklich ein Vorbild an Fortschrittlichkeit. Seine Freundin Natalia? Sie war mit dem New York City Ballet in Los Angeles.
Blieb Nikki, Camilles Mutter …
Kapitel 4
Nikki …
Nein, das konnte er nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Seit sieben Jahren hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Und außerdem, lieber krepieren, als Nikki Nikovski um Hilfe bitten!
Bei genauerer Überlegung konnte er nicht ausschließen, dass sie es war, die Camille zur Pille geraten hatte! Das würde ihr ähnlich sehen. Nikki hatte eine äußerst lockere Auffassung von Moral und war für all diese sogenannten fortschrittlichen Prinzipien: Man musste den Kindern, die sich emanzipieren sollten, blind vertrauen, sie nicht bestrafen, jegliche Autorität verbannen, also leidenschaftlich für Toleranz eintreten, für eine absolute Freiheit, die ebenso leichtfertig war wie naiv.
Er überlegte. War es möglich, dass Camille eher ihre Mutter als ihn um Rat gefragt hatte? Selbst bei einem so intimen Thema wie der Empfängnisverhütung erschien ihm dies wenig wahrscheinlich. Erstens, weil Nikki und Camille sich selten sahen, und auch, weil Nikki – freiwillig oder nicht – sich stets aus Camilles Erziehung herausgehalten hatte.
Jedes Mal, wenn Sebastian an seine Exfrau dachte, empfand er eine Mischung aus Bitterkeit und Wut. Eine Wut, die sich gegen ihn selbst richtete, so sehr schien das Scheitern ihrer Beziehung vorprogrammiert gewesen zu sein. Diese Heirat war der größte Fehler seines Lebens gewesen. Er hatte dadurch seine Illusionen, seine Heiterkeit und seine Lebensfreude verloren.
Sie hätten sich niemals begegnen, sich niemals verlieben dürfen. Weder bei ihrer sozialen Herkunft noch bei ihrer Bildung, nicht einmal bei ihrer Religion gab es Gemeinsamkeiten. Ihre Temperamente, ihre Charaktere waren absolut gegensätzlich. Und doch hatten sie sich geliebt!
Nikki, die es aus ihrem New Jersey nach Manhattan verschlagen hatte, hatte eine Karriere als Model begonnen und von Rollen am Theater und in Musicals am Broadway geträumt. Sie hatte in den Tag hineingelebt, sorglos und ungezwungen.
Temperamentvoll, extrovertiert und passioniert, verstand sie es, ihr Gegenüber zu fesseln und ihren Charme einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Aber sie lebte exzessiv, im Rausch von Gefühlsausbrüchen. Von dem zwanghaften Bedürfnis angetrieben, die Blicke der Männer anzuziehen, spielte sie ständig mit dem Feuer, bereit, sehr weit zu gehen, um ihre Verführungskraft unter Beweis zu stellen.
Das genaue Gegenteil von Sebastian.
Er war das Produkt einer elitären, bürgerlichen Erziehung, war zurückhaltend und reserviert. Er liebte es, sein Leben langfristig zu planen, sich an Zukunftsprojekte zu halten.
Seine Eltern, Freunde und Bekannten hatten ihn sehr bald gewarnt und ihm zu verstehen gegeben, dass Nikki kein Mädchen für ihn sei. Doch Sebastian hatte nicht auf sie gehört. Beide fühlten sich von einer unwiderstehlichen Macht zueinander hingezogen und ließen sich von dem naiven und beliebten Mythos »Gegensätze ziehen sich an« mitreißen.
Sie hatten an ihre Chance geglaubt, hatten aus einer Laune heraus geheiratet. Nikki war unmittelbar danach schwanger geworden und hatte Zwillinge zur Welt gebracht: Camille und Jeremy. Nach einer chaotischen Jugend war Nikki auf der Suche nach Stabilität und Mutterschaft gewesen. Eingeengt durch eine konservative Erziehung, hatte er wiederum geglaubt, durch diese Beziehung dem belastenden Dünkel seiner Familie zu entkommen. Jeder hatte diese Liebe wie eine Herausforderung erlebt und die Trunkenheit ausgekostet, ein Verbot zu überschreiten. Der Rückschlag aber war brutal gewesen. Die Unterschiede, die anfangs ihrem Leben Würze verliehen hatten, wurden schon bald Anlass für Gereiztheit, gefolgt von endlosen Streitereien.
Selbst nach der Geburt der Zwillinge war es ihnen nicht gelungen, sich auf grundlegende Werte zu einigen, die es ihnen erlaubt hätten, ein gemeinsames Leben aufzubauen. Die Notwendigkeit, Prinzipien für die Erziehung ihrer Kinder festzulegen, hatte die Konflikte eher noch verschärft. Nikki bestand auf Freiheit und Autonomie in der Erziehung. Sebastian war ihr auf diesem Weg, den er für gefährlich hielt, nicht
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