Sieben Siegel 07 - Dämonen der Tiefe
ohnehin tun, was er für richtig hielt.
Einen Moment später hieb der Professor vor Begeisterung mit der Faust gegen den Monitor.
»Da ist es!«
Vor ihnen schob sich ein bizarrer Umriss aus der Dunkelheit. Grau wie der Lavaboden und ebenso leblos.
Das Wrack lag auf der Seite und hatte den Kameras des Shuttles den Kiel – die Unterseite – zugewandt. Deutlich waren die langen Planken zu erkennen, die von schmalen Stiften zusammengehalten wurden. Kein Schlick, nicht einmal der allgegenwärtige Meeresstaub hatte sich in den Ritzen abgesetzt. Der geschnitzte Drachenschädel an der Vorderspitze war vollständig erhalten, als hätte das Boot erst gestern seinen heimatlichen Fjord irgendwo im hohen Norden verlassen – mit dem einzigen Unterschied, dass alles, was sie hier sahen, zu Stein geworden war. Perfekt konserviert.
»Es sieht aus wie neu«, staunte Kyra.
Ihr Vater nickte, ganz benommen vom wissenschaftlichen Ausmaß dieses Anblicks. Dann verfiel er sogleich in einen belehrenden Tonfall.
»Das hier ist ein echtes Drachenschiff, der größte Langboottyp, den die Wikinger besaßen. Die Besatzung bestand aus fast siebzig Mann. Solche Schiffe wurden nur für besonders lange Reisen und Raubzüge in weit entfernte Länder benutzt.«
Er schob die Hutkrempe nach hinten und kratzte sich an seinem kahlen Schädel. »Ich frage mich, ob es diese Menschen nicht aus gutem Grund hierher verschlagen hat. Wikinger haben sich nur selten verirrt, sie waren großartige Navigatoren. Trotzdem hat man nie zuvor von einem Schiff gehört, das in so großer Entfernung von seiner Heimat kreuzte. Diese Männer müssen irgendetwas ganz Besonderes vorgehabt haben.«
»Vielleicht waren sie so ’ne Art Forscher«, schlug Kyra vor.
»Vielleicht«, sagte der Professor, aber er klang nicht wirklich überzeugt. »Mal sehen, was die andere Seite zu bieten hat. Ich lenke das Shuttle jetzt in einem Halbkreis um das Wrack herum.«
Langsam, mit heruntergefahrenen Turbinen, schob sich das Gefährt durch die Dunkelheit am Wrack entlang. Die Scheinwerfer ließen seltsame Schattenspiele auf der steinernen Oberfläche entstehen, manchmal wirkte es gar, als bewege sich etwas in Zwischenräumen und Rissen.
»Hat man rausgefunden, wie lange das Boot schon hier liegt?«, fragte Kyra.
»Vermutlich rund tausendeinhundert Jahre. Aber sicher ist das nicht.«
Das Shuttle schwebte an dem versteinerten Drachenkopf vorüber. Seine Zähne waren gefletscht, und eine gespaltene Zunge stach daraus hervor. Kyra erwartete beinahe, dass der unheimliche Schädel nach ihnen schnappte. Aber sie gelangten ungehindert zur anderen Seite des Wracks und konnten nun endlich einen Blick auf sein Deck werfen.
Der Mast des umgekippten Bootes war in etwa drei Metern Höhe abgebrochen, ein Zeichen dafür, dass das Schiff möglicherweise während eines Orkans untergegangen war. Segel und Taue hatten sich längst zersetzt, doch alle anderen Teile des Schiffs waren noch immer deutlich zu erkennen: die Reling, die Sitzbänke der Ruderer, sogar ein Schwert, das vermutlich kurz vor dem Untergang in hilfloser Wut ins Holz gerammt worden und gemeinsam mit ihm versteinert war.
»Kann Metall versteinern?«, fragte Kyra verwundert beim Anblick der Waffe.
»Gute Frage«, erwiderte ihr Vater unsicher.
Das alles war wirklich äußerst sonderbar. Kyra war fast sicher, dass das Erscheinen der Siegel mit der Nähe des Wracks zu tun hatte. Irgendetwas war hier nicht so, wie es sein sollte. Sie konnte es förmlich riechen. Etwas Böses lauerte hier unten.
Als die Lichtkegel der Scheinwerfer weiter über das Deck geisterten, entdeckten Kyra und der Professor eine Öffnung in den Planken. Sie war offensichtlich durch Gewalteinwirkung entstanden, denn ihre Ränder waren ausgezackt und gesplittert.
»Sieht merkwürdig aus«, sagte der Professor. »Schau mal, das zerbrochene Holz ist an den Rändern nach außen gebogen.«
»So als wäre etwas unter Deck gewesen, was sich gewaltsam befreit hat«, stimmte Kyra ihm zu. »Ein Gefangener vielleicht?«
»Aber welcher Gefangene hat so viel Kraft, einfach das Deck aufzubrechen?«
Kyra ließ die zerborstene Stelle im versteinerten Holz des Wracks nicht aus den Augen. Einen Moment lang sah es fast aus, als bewege sich etwas in der Schwärze dahinter, doch dann war alles wieder ruhig.
»Was sind denn das für Splitter unter dem Loch?«, fragte sie.
»Splitter? Wo?«
»Da.« Sie presste den Zeigefinger auf die Glasscheibe des Monitors – wenn sie das
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