Sieben Siegel 07 - Dämonen der Tiefe
Die gleißende Lichtsäule erhob sich in der Ferne als schnurgerader Leuchtstreifen, der den Ring der Schwarzen Raucher über tausende von Metern mit der Wasseroberfläche verband. Es war ein majestätischer, aber auch ein Angst einflößender Anblick.
Der Hai glitt erhaben die Schräge hinab, wenige Meter über dem Boden. Seine Schwanzflosse schien sich kaum zu bewegen, und doch verlieh sie ihrem Besitzer in den entscheidenden Momenten den nötigen Schub, um das mörderische Tempo zu halten.
Achtzehn Meter stahlharte Muskeln. Achtzehn Meter schnappender Tod.
»Mir egal, was das blöde Radar sagt«, schimpfte Lisa. »Für mich sieht’s verdammt noch mal so aus, als käme er immer näher.«
»Ja«, bestätigte Kyra, »für mich auch.«
»Das täuscht«, meldete sich Bischof mit lahmer Stimme. Sie konnten ihm genau anhören, dass er schwindelte. Er befürchtete offenbar, sie würden sonst in Panik ausbrechen.
Kyra blickte auf die Konsole und las die Geschwindigkeit des Shuttles ab. »Zweiundsechzig«, murmelte sie.
»Was sagt Ihre Anzeige über den Hai?«, fragte Lisa.
»Achtundsechzig«, sagte Professor Rabenson.
»Können wir noch schneller werden?«
»Nicht im Moment«, erwiderte Bischof. »Ich muss euch abbremsen, damit ihr den Winkel am Fuß des Gebirges schafft. Ansonsten würdet ihr euch geradewegs in den Boden der Ebene bohren.«
Lisa atmete konzentriert ein und aus. Sie versuchte, an irgendetwas anderes zu denken, so wie es einem in Büchern und Filmen immer geraten wird. Aber natürlich war das unmöglich. Wie hätte sie sich in solch einer Situation etwas Nettes, Harmloses vorstellen können?
Das Shuttle erreichte das Ende des Abhangs und legte sich in die Horizontale. Jetzt schoss es vorwärts über den ebenen Meeresboden, und allmählich kletterte die Anzeige auf siebzig Stundenkilometer.
»Wir können den Ring der Schwarzen Raucher jetzt deutlich sehen«, sagte Kyra.
Auf dem Hauptmonitor rückte der zerklüftete Felsring immer näher. Die Lichtsäule in seinem Inneren erfüllte die schwarzen Wolken über den Schloten mit einem unheimlichen Glühen, so als hätte sich ein Schwarm von Leuchtfischen in die dunklen Schwaden verirrt.
Der Hai kam immer noch näher.
»Noch fünfzehn Meter«, stöhnte Lisa mit einem Blick auf den Heckmonitor. »Allerhöchstens.« Damit war ihr Vorsprung kürzer als die Körperlänge des Hais. Es war nur noch eine Frage der Zeit, ehe er sie einholen würde.
Bischofs Stimme dröhnte blechern durch die Kabine des Shuttles. »Kyra, du musst dich jetzt bereitmachen, auf Handsteuerung umzuschalten.« Bevor sie die Station verlassen hatten, hatte der Forscher ihnen über Funk haargenau erklärt, was sie tun mussten, um den Autopiloten zu deaktivieren und das Shuttle manuell zu führen.
Kyra erledigte die nötigen Handgriffe. Ihre Bewegungen waren rasch und verbissen. »Okay.«
»Noch dreißig Sekunden«, sagte Bischof.
Das Shuttle stieg ein paar Meter höher. Hinter ihnen änderte auch der Hai seinen Kurs, blieb genau auf ihrer Spur.
»Noch zwanzig Sekunden.«
»Gleich hat er uns«, presste Lisa zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Kyra umklammerte mit beiden Händen den Steuerknüppel.
»Noch zehn Sekunden«, sagte Bischof.
Der Hai war nur noch drei Meter entfernt, seine Zahnreihen füllten den Heckmonitor wie weiße Splitter zerbrochenen Porzellans.
»Jetzt!«
Ein Ruck ging durch das Shuttle, als Kyra den Autopiloten lahm legte. Sie musste die gesamte Wucht des Fahrzeugs mit ihren Händen auffangen. Ihr Körper spannte sich. Um sie herum flackerten die Lichter und Anzeigen der Konsole. Von irgendwoher ertönte ein helles Piepsen, vielleicht ein Alarmsignal.
Keine Zeit, sich darüber Sorgen zu machen.
Mit einem kräftigen Ruck riss sie den Hebel herum. Das Shuttle legte sich blitzartig auf die Seite, trudelte einmal um sich selbst und schlug dann einen scharfen Haken nach links, durch die zerfasernden Ausläufer der Raucherwolken und zurück in klares Wasser.
Der Hai wurde Opfer seiner eigenen maßlosen Kraft. Wie ein Torpedo aus Fleisch und Blut fegte er an dem abdrehenden Shuttle vorüber. Es gelang ihm nicht mehr rechtzeitig zu wenden. Er raste geradeaus ins Innere der dunklen Schwaden und wurde von ihnen verschluckt. Einen Moment lang war er noch als finstere Silhouette vor dem hellen Glühen des Hexenstrahls zu sehen, dann verschwand er vom Monitor.
Kyra und Lisa schauten sich stumm an. Sie wollten schreien, wollten jubeln, doch sie brachten
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