Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Kyra beim Anblick dieser Armee aus Wassergeistern, die sich unter Morganas Kommando aus den Wellen schälte.
»Nein«, wisperte Dea so leise, dass Kyra es gerade noch verstehen konnte. »Es ist genau das eingetreten, was ich gehofft habe. Morgana weiß es noch nicht, aber sie hat ihre eigene Macht überschätzt. Deine Anwesenheit hat sie unvorsichtig gemacht. Es mag nicht so aussehen, aber die Erschaffung all dieser Nymphen ist eine Verzweiflungstat.«
»Glaubst du wirklich?«
»Ja. Sie greift zu ihren letzten Waffen. Aber sie hat dabei einen entscheidenden Punkt übersehen.«
»Und welchen?«
»Morgana mag die Macht über das Wasser haben, um daraus ihre Nymphensklaven zu formen. Aber dies hier ist Nimues See. Sie ist die Dame vom See, auch wenn sie nach all den Jahren geschwächt und krank ist. Was immer Morgana aus diesem Wasser erschafft, wird ihr nicht so leicht gehorchen wie ihre anderen Kreaturen. Und genau das werden wir uns zu Nutze machen.«
»Aber wie?«, wollte Kyra wissen.
»Unsere Macht wird die ihre aufheben und brechen.«
»Das verstehe ich nicht.«
Dea winkte ab. »Warte ab. Gleich ist es so weit.«
Morgana stand immer noch kerzengerade auf der Oberfläche des Sees, eine schwarze Silhouette vor den aufgepeitschten Wassermassen. Das Heer der Nymphen war nahezu vollständig; die furchtbaren Wesen hatten sich jetzt bis zu den Knien aus dem See erhoben, ihre Schöpfung war so gut wie vollendet.
Morgana blickte mit einem siegessicheren Lächeln zu ihren beiden Gegnerinnen empor. Ihr seid verloren, höhnte ihr Blick. Ihr und all eure Freunde in Nimues Hort.
»Jetzt!«, brüllte Dea mit einem Mal, drückte die Spitze ihres Flugzweiges nach unten und schoss auf die Oberfläche des Sees zu.
»Aber … was –«, stammelte Kyra, doch Dea rief über ihre Schulter: »Folge mir, Kyra – ins Wasser!«
Kyra zögerte nicht länger. Sie gab dem fliegenden Teppich einen geistigen Befehl, der ihn abwärts rasen ließ, auf die Nymphen, auf Morgana, auf das Wasser zu …
Die Welt explodierte in einer Fontäne aus flüssigem Silber.
Bevor sie eintauchte und den Teppich unter sich verlor, sah Kyra gerade noch, wie Morganas Gesicht sich verzerrte. Die Zauberkönigin riss den Mund zu einem zornigen Schrei auf, als sie erkannte, was geschah. Sie begriff, dass Dea sie in eine Falle gelockt hatte.
Um Kyra war nur noch Wasser, strudelndes, schäumendes, kaltes Wasser. Ihr Atem wurde zu einem Schwarm silberner Bläschen, der wirbelnd zur Oberfläche aufstieg. Wild schlug sie um sich, kämpfte gegen ihre Panik, strampelte mit den Beinen und bekam plötzlich wieder Luft. Der Teppich war fort, nass geworden und in den Tiefen des Sees versunken, aber daran verschwendete sie im Augenblick keinen Gedanken. Sie wollte nur atmen, atmen, atmen … und wissen, was um sie herum geschah.
Beim Aufprall auf dem Wasser war sie zwischen mehreren Nymphen eingetaucht, doch als sie sich jetzt umschaute, halb blind von der Nässe in ihren Augen, erkannte sie, dass die Geister ihr keine Beachtung schenkten. In langen Reihen schritten sie in einer sternförmigen Massenbewegung über den See, strömten auf einen einzigen Punkt zu – dorthin, wo Morgana stand und verzweifelt Befehle kreischte, denen keiner mehr gehorchte.
Kyra hatte das Gefühl, dass etwas Warmes, Leuchtendes aus ihren Poren in den See floss, und als sie an sich hinabblickte, sah sie, dass das Wasser in weitem Umkreis zu glühen begonnen hatte wie Lava im Inneren eines Vulkans.
Doch sie spürte keine Hitze. Vielmehr stieg in ihr ein sanftes Frösteln auf, nicht wirklich unangenehm, aber doch sonderbar – es war, als entzöge ihr Nimues See alle Wärme, und es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, dass es mehr war als nur Wärme, die aus ihr herausfloss. Es war ihre Hexenkraft. Sie speiste den See, gemeinsam mit Dea, die jetzt ganz in ihrer Nähe auftauchte. Zusammen hatten sie Morganas Macht über das Wasser gebrochen. Nun waren sie es, denen die Nymphen gehorchten, und fraglos war es Dea zu verdanken, dass sich das Blatt gegen Morgana wendete.
Dea kontrollierte das Heer der Wassergeister mit ihrer eigenen Kraft – und der von Kyra.
Nimm alles von mir, was du brauchst, dachte Kyra benommen und wusste aus irgendeinem Grund, dass ihre Mutter es hören konnte. Wenn das alles ist, warum du mich wiedersehen wolltest, dann nimm es dir …
Deas Kopf fuhr zu ihr herum und schenkte ihr einen traurigen Blick, doch die Kontrolle über die Nymphen erforderte eine zu
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