Ein Lord mit besten Absichten
1
Gillian Leighs erstes gesellschaftliches Ereignis der Saison begann mit dem, was von der Londoner Gesellschaft später gemeinhin als Vorzeichen drohenden Unheils gewertet wurde.
»Heiliger Strohsack. Darüber wird die Herzogin alles andere als erfreut sein.«
Bestürzt beobachtete Gillian, wie die Flammen die goldfarbenen Samtvorhänge immer weiter eroberten, allen Versuchen zum Trotz, sie mit einem quastenverzierten Seidenkissen auszuschlagen. Entsetzte Schreie und schrilles Stimmengewirr zeigten an, dass man, entgegen ihrer leisen Hoffnung, ihre Bemühungen bemerkt hatte, noch ehe sie den Brand unter Kontrolle bringen konnte.
Zwei Lakaien stürzten mit wassergefüllten Eimern an ihr vorbei und hatten das Feuer bald gelöscht. Doch ein wenig zu spät … der Schaden war unübersehbar. Der hochgelobte Goldene Salon der Herzogin würde nie wieder derselbe sein. Mit dem rußigen Kissen vor der Brust beobachtete Gillian betrübt, wie die geschwärzten Vorhänge hastig eingerollt und weggeschafft wurden. Überall standen kleine Grüppchen von Leuten, die sich angeregt unterhielten und dabei überallhin sahen, nur nicht zu ihr.
»Damit dürfte mein Schicksal als von der Gesellschaft Ausgestoßene zweifellos besiegelt sein«, murmelte sie vor sich hin.
»Um wen geht’s? Und was in aller Welt ist hier drinnen passiert? Lady Dell sagte, du würdest das Haus niederbrennen, aber du weißt ja, wie sehr sie immer über… Ach du meine Güte!«
Gillian seufzte tief und drehte sich mit einem reumütigen Lächeln zu ihrer Cousine und engsten Freundin um, die auf die von Rauch und Löschwasser gezeichnete Wand starrte.
»Es ist leider wahr, Charlotte, auch wenn ich das Haus nicht niederbrennen wollte. Das war nur wieder eines meiner unseligen Missgeschicke.«
Charlotte betrachtete nachdenklich die einst goldgetäfelte Wand, schürzte die Lippen und richtete den Blick dann auf ihre Cousine. »Mm. Nun ja, auf alle Fälle hast du dafür gesorgt, dass dein Debüt in aller Munde ist. Sieh dich nur an! Du bist voller Ruß … deine Handschuhe sind nicht mehr zu retten, aber der Schmutz auf deiner Korsage wird sich wohl weitgehend entfernen lassen.«
Gillian ließ widerwillig zu, dass Charlotte sich der Beseitigung der Schäden an ihrem grünen Musselinkleid widmete. »Mein Debüt … Als ob ich darum gebeten hätte. Ich bin doch nur hier, weil deine Mutter der festen Ansicht war, es mache einen schlechten Eindruck, wenn ich in deiner Saison zu Hause bliebe. Ich bin fünfundzwanzig, Charlotte, also kein junges Mädchen mehr wie du. Und dass die Leute über mich reden – dessen bin ich mir sicher. Bestimmt bin ich für alle der Tollpatsch aus den Kolonien, der nicht mal das Mauerblümchen spielen kann, ohne für ein Chaos zu sorgen.«
Charlotte verdrehte die Augen, während sie ihre Cousine am Handgelenk packte und durch die aufgeregt durcheinanderredende Menschenmenge nach draußen zog. »Du bist nur eine halbe Amerikanerin, und du bist kein Tollpatsch. Du bist nur… na ja, du bist einfach nur sehr … lebhaft; und – wie soll ich sagen – anfällig für unglückliche Vorkommnisse. Aber meine Mama sagt immer: Ende gut, alles gut. Die Vorhänge kann man ersetzen, und ich bin sicher, die Herzogin wird zu dem Schluss kommen, dass dieses Feuer einfach nicht zu vermeiden war. Komm jetzt, du musst in den Ballsaal zurück. Es ist etwas sehr Aufregendes passiert – der Schwarze Earl ist da.«
»Der schwarze was?«
»Der Schwarze Earl. Lord Weston. Es geht das Gerücht, er will sich wieder eine Frau nehmen.«
»Ach, und das darf man auf gar keinen Fall verpassen? Will er sie denn gleich dort auf der Tanzfläche nehmen?«
»Gillian!« Charlotte blieb abrupt stehen. Ihre kobaltblauen Augen waren weit aufgerissen und funkelten vor gespieltem Entsetzen. »So etwas sagt man doch nicht! Das ist empörend, einfach haarsträubend, und ich erlaube nicht, dass du meinen empfindlichen, unschuldigen Ohren derlei schmutzige Worte zumutest!«
Gillian grinste ihre Cousine an und munterte sie mit einem kleinen Schubs zum Weitergehen auf. »Im Ernst, Charlotte, ich begreife nicht, wie du es schaffst, so ungeniert zu lügen, ohne dabei rot zu werden.«
»Übung, Gilly, ich feile nämlich jeden Morgen eine Stunde lang gewissenhaft an der Vervollkommnung meines sittsamen, schüchternen Blickes. Du solltest dasselbe tun; für deine Persönlichkeit würde es Wunder wirken. Vielleicht bekommst du dann sogar einen Ehemann ab, was ganz gewiss
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