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Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Titel: Sieben Siegel 10 - Mondwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und – Aber nein, seine Sorge war unbegründet. Der Schattenstern war zu flach. Solange er über den Boden kroch, war er nicht höher als zwanzig, fünfundzwanzig Zentimeter. Die Sensoren der Lichtanlage hingegen waren in fünfzig Zentimetern Höhe angebracht. Wenn der Stern nicht anfing, im Korridor herumzuhopsen, würden die Lampen ausgeschaltet bleiben.
    Nils wartete, bis sich das feuchte Schleifen entfernt hatte, dann schob er vorsichtig die Schranktür auf.
    Kletterte hinaus ins Zimmer.
    Ließ den Kleiderbügel dabei nicht los, hielt ihn wie ein Messer.
    Und hatte plötzlich nur einen Gedanken: Seine Eltern!
    Machte sich der Stern jetzt auf den Weg zu ihrem Schlafzimmer? Oder waren dort schon andere seiner Art, schleimige, glitschige, sabbernde Wesen, die sich langsam an den Bettpfosten emporschoben, über zerwühlte Bettdecken krochen, nackte Haut berührten, erst Finger, Hände, dann die Arme hinauf bis zu – Nils stieß ein Keuchen aus. Er musste etwas unternehmen.
    Lauernd näherte er sich der Tür. Kurz bevor er sie erreichte, legte er sich flach auf den Bauch und robbte vorwärts wie ein Soldat, kroch hinaus auf den Korridor, so flach wie eine Flunder. Er musste unterhalb der fünfzig Zentimeter bleiben, sonst würden ihn die Sensoren erfassen und das Licht einschalten. Und dann, daran gab es nicht den leisesten Zweifel, würde der Schattenstern sofort wieder bei ihm sein.
    Nils robbte weiter, nach rechts den Gang hinunter, vollkommen blind in der totalen Dunkelheit. Irgendwann wurde ihm klar, warum er sich so mühelos über den Teppich ziehen konnte. Er rutschte regelrecht über den Boden, weil er unbewusst der Schleimspur des Sterns folgte. Schon jetzt war das T-Shirt, das er zum Schlafen trug, von den dickflüssigen Absonderungen der Kreatur durchnässt. Er glitt wie auf Seife den Korridor entlang.
    Bald stießen seine Hände gegen einen Türrahmen: die Verbindungstür zum Mittelflügel. Dahinter lag ein weiterer fensterloser Gang. Die Tür stand weit offen. Am Abend war sie nur angelehnt gewesen. Der Schattenstern musste sie aufgestoßen haben.
    Ganz kurz spielte Nils mit dem Gedanken, sich aufzurichten, ein paar Sekunden Helligkeit in Kauf zu nehmen, um die Kontrollen der Bewegungsmelder zu deaktivieren, die sich jetzt genau über ihm in der Wand befanden. Dann aber verzichtete er darauf. Er hätte damit ohnehin nur den zurückliegenden Korridor dauerhaft verdunkelt. Der nächste Flur hatte einen eigenen Schalter, am anderen Ende, wieder etliche Meter weit entfernt.
    Nils nahm all seinen Mut zusammen, umfasste den zerbrochenen Kleiderbügel und schob sich weiter auf der Schleimspur des Schattensterns, geradewegs in die tiefste Finsternis.
     
    Kyra warf einen Blick auf den Stern, der noch immer mit verschlungenen Fangarmen am Treppengeländer baumelte, dann gab sie der Tür von Kassandras Schlafzimmer einen sanften Stoß und humpelte vorwärts in Richtung Bett.
    Ihre Tante lag auf dem Rücken. Sie hatte die Decke nur bis zur Brust heraufgezogen; der untere Teil war am Fußende zusammengeknüllt, um ihre chronischen Eisfüße zu wärmen. Ihr lockiges, feuerrotes Haar war offen über das Kissen verteilt.
    Glassplitter glitzerten auf Boden und Bettdecke, die Seiten eines aufgeschlagenen Buches waren damit übersät.
    Auf Tante Kassandras Gesicht lag ein Schattenstern. Er hatte sich mit seiner sabbernden Unterseite daran festgesaugt wie eine Maske aus nassem, glitzerndem Schattenfleisch. Seine spitz auslaufenden Fangarme klammerten sich rund um Tante Kassandras Kopf, er war fast völlig davon eingehüllt.
    Kyra nahm die beiden wichtigsten Dinge gleichzeitig wahr: Der Brustkorb ihrer Tante hob und senkte sich sanft, was bedeutete, dass sie lebte. Und: Der Scherbenregen hatte ihr keine Verletzungen zugefügt. Nirgends war Blut, es gab keine Schnittwunden.
    Kyra war wie gelähmt vor Angst und Sorge, und doch bewegte sie sich jetzt langsam vorwärts, humpelnd wegen ihres verletzten Knöchels. Sah es so in ganz Giebelstein aus? Waren alle Menschen von den Schattensternen im Schlaf überrascht worden, und waren all ihre Gesichter jetzt unter diesen fremdartigen, ekelhaften Schleimmonstern begraben?
    Kyra konnte es ganz deutlich vor ihrem inneren Auge sehen: die zerbrochenen Scheiben; die umschlungenen Köpfe der Schlafenden; die pulsierenden, glitzernden Körper der Schattenkreaturen.
    Auf einer Kommode lag eine Nagelschere. Kyra griff danach und ging auf das Bett zu. Sie musste sich überwinden, aber dann

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