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Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Titel: Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola Di Grado
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Hausschlüssel.«
    »…«
    »Hallo, Camelia, bist du noch dran?«
    »Und wo gehe ich hin, wenn ihr in York seid?«
    »Wie bitte? Bist du noch nicht groß genug, um allein zu Hause zu bleiben? Sag mir doch, wo bist du jetzt?«
    »…«
    »Camelia, hörst du mich? Hallo?«
    »Grosvenor Road.«
    »Ach, okay, das ist ganz in der Nähe, ich brauche nur einen Moment. Aber hör mal, auf welcher Höhe bist du denn?«
    »…«
    »Bist du noch dran? Guckst du auf den Sozialbau?«
    »Nein.«
    »Nein was? Siehst du ihn nicht? Ach, bist du nicht auf der Höhe der Pension?«
    »Nein.«
    »Na gut, hör mal, ich komme jetzt, wir sehen uns in einem Moment …«
    Ich drückte auf Aus. Ich hatte genug. Mir platzte der Kopf. Ich sah nur verschwommen. Die Pflanzen und die Menschen waren nur Schemen. Und wieso ist es eigentlich noch hell? Wo ist die Nacht geblieben? Wie viel Uhr ist es? Und was für ein Tag?
    Die Übelkeit fuhr in meiner Kehle Fahrstuhl. Ich spürte nichts mehr von dem, was in meinem Körper nicht wehtat. Unter der Hose betastete ich meine Narben. Sie waren immer noch da. Und dann das Tattoo. Dann die Tasche. In der Tasche das Teppichmesser. Ich zog es heraus.
    Ich streichelte die Klinge mit zwei Fingern. Sie war kalt, glatt, glänzend. Endlich war der Moment gekommen.
    Da war ein Himmel genau über meinem Kopf. Er hatte die weiße Farbe eines Waschbeckens, die ich so gut kannte, weil Leeds darauf abonniert ist, und bei jeweils zwanzig dieser Himmel gibt es ein Flugzeugunglück. Wie auch immer, ein Weiß, das auf den Schnee schwört, und wie alle vertrauenswürdigen Schwüre wird auch dieser an einem Grab geleistet.
    Mit den Fingern fuhr ich hin und her über die Klinge. Was brauchte es im Grunde schon? Es war ein Moment. Sich die Klinge an die Kehle zu halten, wie ein Schmuckstück aus der Schatulle meiner Mutter, eins von denen, von denen sie immer gesagt hatte: »Eines Tages gehört es dir.«
    Ich spürte meinen Herzschlag wie wild in den Fingerspitzen. Bumm. Und dann wieder Bumm. Und wieder …
    »Hier! Da sind die Schlüssel.«
    Ich hob den Blick. Francis stand vor mir an der Mauer, so schön, dass man sich dafür umbringen könnte. So schön, dass ihn die Polizei anhalten würde, weil er die Schönheitsgrenze überschritten hatte.
    »Aber was hast du denn da in der Hand, Camelia? O Gott, bist du verrückt geworden? Ich lasse es nicht zu, dass du dir was antust, komm sofort da runter!«
    »Es ist mein Leben.«
    »Nein, hör mal, warte mal, was auch immer dich so traurig macht, du sollst wissen, dass …«
    »Glaub bloß nicht, dass du mich daran hindern kannst, Blödmann.«
    »Komm runter!«
    Er glänzte so sehr von da unten, dass es in den Augen wehtat. Mir kam er vor wie Lichtjahre entfernt. Die Papageien auf seiner Krawatte gaben einen erbarmungslosen Schimmer von sich. Mir zitterten und schwitzten die Finger. Ein kalter und glitschiger Schweiß wie Schneckenschleim. Ich schloss sie, so fest ich konnte, um das, was ich in der Hand hatte.
    »Wenn du nicht runterkommst, steige ich hoch!«
    Er setzte einen Fuß aus blauem Lackleder auf einen vorstehenden Backstein, stieß sich ab, landete auf einem anderen Vorsprung, und schon war er oben, setzte sich links von mir auf die Mauer. Er legte mir einen Arm um den Hals. Der Stoff seines Anzugs war unglaublich weich. Ich konnte nicht atmen.
    »Hör mal, Camelia, hör mir zu.«
    »Du bist es, der mir nicht zuhört.«
    »Nein, hör mal, alles geht vorbei, sag mir doch, was los ist, versuch vernünftig darüber nachzudenken.«
    »Warum geht ihr nach York?«
    »Was ist denn dagegen zu sagen, es ist nur für ein paar Tage. Kann gut sein, dass wir nach der Hochzeit vielleicht ganz dorthin ziehen, aber jetzt ist es nur für das Wochenende, Camy.«
    Ich hob das Teppichmesser, er fuhr erschrocken zusammen und streckte eine lange Pianistenhand nach mir aus, in Richtung meiner rechten Hand, die nicht nachgab. »Gib das her, Camelia!«
    Er warf sich auf mich, packte mich am Handgelenk, und stützte sich dabei mit der linken Hand an der Wand ab. Ich stemmte die Füße in eine Vertiefung und musste mich deshalb nicht einmal anlehnen. Jetzt nahm er noch einmal Schwung, ich löste den Griff um das Teppichmesser, und er packte es. In diesem Augenblick, während er schwankend über mir hing, schlossen sich meine Hände wieder um den Griff des Teppichmessers, und ich sah meine Linke, die damit nach ihm stieß.
    Er fiel herunter, auf den Kopf. Ich sah zu, bis er aufhörte zu atmen,

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