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Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Titel: Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola Di Grado
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zum Teufel weiß ich.
    Mein Handy piepste. Eine SMS von Jimmy.
    Eine unendliche Serie von leeren Kästchen.
    Ich antwortete ihm: »Schreib es auf Englisch, Jimmy, weil mein Handy keine chinesischen Schriftzeichen lesen kann.«
    Und er: »Ja, ich weiß, ich hab die falsche Nummer gewählt.«
    Ich begann zu rennen.
    Der Regen wurde stärker, und es kamen Blitz und Donner und all das andere, was einem so in den Sinn kommt. Sag’s und damit genug. Sag: Blendende Blitze wie Scheinwerfer auf der Bühne meines beschissenen Lebens. Sag, dass du auf meinen Grabstein schreiben wirst: »Sie musste früh sterben.«
    Ich kam zu Wens Geschäft. Der Regen fiel wie breite Schwerter, die sich mir ins Gehirn bohrten. Ich ging hinein und knallte die Tür hinter mir zu. Die rote Katze fuhr zusammen und gab ihr geziertes Klingklong von sich.
    »Camelia, was ist denn passiert? Hast du dich verletzt?«
    »Ich bring dich um, wenn du mir nicht alles sagst.«
    Ich hob mein Oberteil hoch.
    »Ach, aber das ist ja ein Tattoo. Und warum ausgerechnet dieses Schriftzeichen?«
    »Weil das meins ist. Ich habe es erfunden.«
    »Aber das gibt es doch.«
    »Wen, war Lily mit Jimmy zusammen oder mit dir? Warst du in sie verliebt? Hast du sie zurückgewiesen wie mich, und dann hat sie was mit Jimmy angefangen?«
    Ich ging auf ihn zu und stieß ihn zu Boden, was ganz leicht war, weil er nichts wiegt, wie eine Puppe. Auf dem Boden sitzend schaute er mich mit weit aufgerissenen Augen an und atmete schwer dabei.
    »Willst du, dass ich dich umbringe? Ich bringe dich um, wenn du mir nicht alles sagst!«
    »Ich liebe dich. Sie habe ich auch geliebt. Ihr schient mit mir glücklich zu sein, doch dann seid ihr alle beide mit meinem Bruder gegangen.«
    »Scheiße, weil du uns zurückgewiesen hast! Bist du verrückt oder was? Bist du geisteskrank?«
    Schweigen. Ich hob einen meiner riesigen Schuhe direkt über sein Porzellanhändchen, das auf dem Boden lag.
    »Und?«
    »Vergib mir, aber es ist nicht meine Schuld.«
    Mein Fuß senkte sich weiter über den Fingern. »Also?«
    »Ich kann keine Liebe machen, es geht nicht.«
    »Was soll das heißen? Bist du … bist du impotent?«
    »Ich weiß es nicht. Ich fürchte ja.«
    Ich rückte von ihm ab. Er stand auf. Um nicht zu ersticken, schaute ich mir die drei ärmellosen Hemden an, die hinter ihm auf ihren himmelblauen Bügeln hingen. Die Anordnung ihrer Knöpfe.
    »Wen, ist Lily tot?«
    Er kaute an einem Nagel, atmete ein und aus, und dann sagte er: »Sie hat sich von der Brücke in Knaresborough gestürzt. Ach, dein Tattoo bedeutet ›Loch‹.«
    Dann öffnete er die rote Tür und verschwand für immer dahinter.
    Am nächsten Tag weckte mich ein sonderbarer Geruch. Essen. Kein verdorbenes oder unter einer Schimmelschicht unkenntlich gewordenes Essen. Kein symbolisches Essen wie die Fleischbällchen aus der Schachtel von Morrisons. Auch kein tiefgefrorenes Essen, und keins, das die Jungs von der Christopher Road dem beinlosen Bettler geklaut hatten. Richtiges Essen. Richtiges Essen von einem richtigen Gott. Selber gekocht, nicht hergestellt. Ich ging die Treppe hinunter. Meine Mutter hockte vor dem Herd und hatte den Kopf im Ofen.
    Das ist nicht möglich.
    Dieser Ofen ist schon immer nichts anderes gewesen als ein imaginärer Tatort für meine Selbstmordphantasien. In diesen Phantasien war mein Kopf da drin, nicht ihrer, es war meine Haut, die sich vom Körper trennte, so wie die Körperteile in dem Tattooladen losgelöst von ihrem Körper waren. Stattdessen kam jetzt der Kopf meiner Mutter wieder aus dem Ofen heraus, mit diesem perfekten Gesicht, und sie trug eine weiß-rosa Schürze mit zwei Kühen, die sich umarmten, und in der Hand hatte sie eine Backform mit tadelloser Lasagne.
    Es ist nicht möglich.
    »Mama, aber …«
    Sie lächelte ein Lächeln, das wie ein Gruß an mich begann, dann aber sofort zu einem Liebesschwur für ihren Mann wurde.
    Er saß am Tisch, in dem gleichen Anzug wie am Tag zuvor. Das Blau, in alle Fälle dekliniert, die leuchtenden Papageien auf der Krawatte. Die herrlichen Augen und das feine Profil seiner Nase.
    Kaum hatte er mich erblickt, winkte er langsam mit der Hand und lächelte. Diese Bewegung setzte ein längliches, brodelndes Licht frei, das in einem einzigen Moment seinen ganzen Nadelstreifenanzug erfasst hatte. Zwischen mir und diesem Licht lag die halbe Treppe und ein ganzes Universum.
    Livia füllte seinen Teller und dann den ihren.
    Sie setzte sich an den Tisch.
    An unseren

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