Sieh dich um: Thriller (German Edition)
auf das abbruchreife Apartmenthaus zu, während sie sich über den Mund wischte. Weitere Blitze zuckten über den dunklen Himmel und tauchten die Baumaschinen und Fahrzeuge, die das Haus in zwei Wochen abreißen würden, um Platz für ein neues Luxus-Hochhaus zu schaffen, in ein fahles Licht. Stephanie wusste noch nicht, wohin sie sollte, wenn es so weit war. Vielleicht würde eine alte Freundin sie aufnehmen. Vielleicht würde sie ein Zimmer in einem Frauenhaus finden. Es war nicht wichtig, nicht jetzt.
Die Wohnung, in der sie mit ihren Kindern gelebt hatte, lag in der dritten Etage, aber weil das Gebäude nicht mehr an die Stromversorgung angeschlossen war, gab es keinen Aufzug. Erst jetzt überlegte sie, dass ihre Kinder eigentlich gar nicht hier sein sollten – man hatte sie ihr weggenommen und zu Pflegeeltern gegeben. Doch der Fremde hatte ihr unmissverständlich gesagt, dass sie nach Hause musste, um sie zu retten.
Stephanie versetzte der Tür zum Treppenhaus einen heftigen Stoß und sprang die Betonstufen hinauf, so schnell die brennenden Muskeln ihrer Oberschenkel sie trugen. Sie schlug sich das Knie schmerzhaft an einem Bodenreinigungsgerät an, das sie in der Dunkelheit übersehen hatte. Ein weiterer glühender Schmerz durchzuckte ihren gemarterten Leib, aber auch diesen ignorierte sie. Es war stockdunkel im Treppenhaus, und sie zählte die Stufen mit. Zwei Absätze für jede Etage.
Im dritten Stockwerk angekommen tastete sie nach der Tür und schob sie auf. Ihr Atem ging stoßweise und abgehackt, als sie auf den dunklen, langen Korridor hinaustrat.
Es klickte mehrmals laut in der Dunkelheit, dann wurde sie in gleißendes, blendendes Flutlicht getaucht.
Benommen blieb sie stehen und blinzelte. Sie versuchte, sich zu bewegen, doch ihre Füße waren wie festgenagelt. Einen schrecklichen Moment lang setzte ihr Atem völlig aus. Ihre Ohren klingelten. Die Welt ringsum wurde unscharf, als ihr Tränen in die Augen schossen. Im nächsten Moment löste sich eine Gestalt aus den Schatten, packte sie mit unwiderstehlicher Kraft von hinten um die Taille und bugsierte sie in Richtung ihrer Wohnung. Stephanie trat nach ihrem Angreifer und wehrte sich nach Kräften, doch es war zwecklos. Sein Griff war wie ein Schraubstock und lockerte sich nicht eine Sekunde. Sie versuchte zu schreien, aber er legte ihr eine große Hand über den Mund. Sie roch nach teurem Eau de Cologne.
Zehn Sekunden später waren sie vor ihrer Wohnung angekommen. Der Fremde drehte sich um, versetzte der Tür unter lautem Grunzen einen wuchtigen Tritt, unter dem das termitenverseuchte Holz zerbarst, und zerrte Stephanie hinein. Voller Panik sah sie sich um. Weitere Scheinwerfer standen in einem Halbkreis um einen freigeräumten Platz im Wohnzimmer, direkt vor dem kaputten Fernseher. Allerdings waren die Scheinwerfer im Wohnzimmer nicht grell wie die draußen im Korridor. Sie verbreiteten ein weiches, gedämpftes Licht.
Ideales Licht zum Arbeiten.
In den Boden waren Stahlringe geschraubt.
Stephanie setzte sich gegen ihren Entführer zur Wehr, so gut sie konnte, doch er erwies sich als viel zu stark. Mit kraftvollen Händen hielt er sie fest. Durch einen heftigen Tritt gegen ihre Knöchel verlor sie das Gleichgewicht und landete hart auf dem Boden. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, schnitten dünne Schnüre schmerzhaft in ihre Hand- und Fußgelenke, fesselten sie an die Stahlringe und blockierten ihren Blutkreislauf. Ein Knebel wurde ihr tief in den Mund gestopft.
Angestrengt atmend beugte sich ihr Angreifer vor und riss Stephanies Kopf brutal an den Haaren hoch. Höllenqualen breiteten sich rasch in ihrem zitternden Körper aus. Warmer, schwach nach Nelken riechender Atem kitzelte ihre linke Wange. Dann wurde Klebeband über den Knebel gewickelt.
Um ihren Kopf herum. Dreimal. Viermal. Fünfmal. Zipp-zipp-zipp . Um den ganzen Kopf herum, wieder und wieder. Schließlich riss der Mann die Rolle mit einer jähen Handbewegung ab und glättete das ausgefranste Ende mit dem Daumen. Das Weihnachtsgeschenk war zu seiner Zufriedenheit verpackt.
Fünf Minuten später war Stephanie vollkommen nackt, mit gespreizten Gliedern an die Stahlringe gefesselt, außerstande, sich zu bewegen, zu sprechen, ja zu atmen.
Grunzend von der Anstrengung seiner Bemühungen erhob sich ihr Angreifer und ragte über ihr auf. Die Scheinwerfer strahlten ihn von hinten an. Stephanies Augen weiteten sich entsetzt, als sie sah, dass er einen Smoking trug. Goldene
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