Sigma Force 01 - Sandsturm
Fahrerin – oder Pilotin, wie man sie hin und wieder nennen musste – hatte die Lippen entschlossen zusammengekniffen, in ihren Augen funkelte allerdings mädchenhafte Aufregung.
Andere Sand-Buggys folgten, jeder besetzt mit fünf Frauen des Stammes. Sie fuhren versetzt hintereinander, um nicht die Sandfahne des Fahrzeugs vor ihnen abzubekommen. Flankiert wurden die Buggys zu beiden Seiten von etwa einem Dutzend Sand-Bikes, Motorrädern mit Ballonreifen, die die Spuren der größeren Fahrzeuge kreuzten und große Sprünge über Dünenkämme machten.
Das halsbrecherische Tempo der Karawane hatte einen guten Grund.
Von Norden her raste der Sandsturm auf sie zu.
Nach dem Verlassen des unterirdischen Tunnelsystems hatte Safia sich am entgegengesetzten Rand des Dhofar-Gebirges wiedergefunden, am Rand des Rub’ al-Khali. Sie waren durch den gesamten Gebirgsstock hindurchgewandert. Die Tunnel, die sie benutzt hatten, waren alte Flussbetten, die das Wasser durch den Kalkstein gegraben hatte.
Am Ausgang des letzten Tunnels hatten die Buggys und Bikes auf sie gewartet. Kara hatte ihrer Verwunderung über diese Fahrzeuge Ausdruck gegeben, weil sie eher Kamele oder ähnliche weniger moderne Transportmittel erwartet hatte. Lu’lu hatte erklärt: Auch wenn unsere Linie bis weit in die Vergangenheit zurückreicht, leben wir doch in der Gegenwart. Die Rahim verbrachten nicht ihr gesamtes Leben in der Wüste, sondern kamen, wie die Königin von Saba, in der Welt herum, bildeten sich, häuften sogar Wohlstand an. Sie hatten Bankkonten, Aktien-Portfolios und Grundbesitz und handelten sogar mit Öl-Futures.
Jetzt raste die Gruppe auf Shisur zu und versuchte dabei, schneller zu sein als der Sturm.
Lu’lu und die anderen vertrauten darauf, dass Safia ihnen den Weg zeigte. Mit den Worten der hodja: Die Schlüssel haben sich dir enthüllt. So werden es die Tore ebenfalls tun. Safia hoffte nur, dass die Frau Recht hatte. Mit Intuition und Wissen hatte sie es bis hierher geschafft. Jetzt musste sie sich darauf verlassen, dass ihre Fachkenntnis sie auch zum letzten Ziel führte.
»Kann sein, dass es Schwierigkeiten gibt«, schrie Lu’lu. »Die Kundschafter, die wir ausgeschickt haben, melden eine kleine Gruppe bewaffneter Fremder, die in Shisur einfallen.«
Safias Herz klopfte bis zum Hals. Cassandra …
»Vielleicht suchen sie nur Schutz. Die Kundschafter haben ein Fahrzeug gefunden. Einen alten Transporter, der in einer Kamelsuhle feststeckt.«
Kara beugte sich neugierig vor. »Ein Transporter … war es ein blauer Volkswagen?«
»Warum?«
»Das könnten unsere Freunde sein. Diejenigen, die uns geholfen haben.«
Kara schaute mit einem hoffnungsvollen Leuchten in den Augen Safia an.
Lu’lu hob ihr Walkie-Talkie und führte eine kurze Unterhaltung. Sie nickte und drehte sich dann zu Kara und Safia um. »Es war ein blauer Eurovan.«
»Das sind sie«, rief Kara. »Woher haben sie gewusst, wo sie uns finden können?«
Safia schüttelte den Kopf. Es schien unmöglich. »Wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Vielleicht haben Cassandra oder ihre Männer sie ja gefangen genommen.«
Und auch wenn es ihre Freunde waren, packte Safia jetzt eine neue Angst. Wer hatte überlebt? Painter hatte versucht, sie zu retten, hatte dabei alles riskiert und war zurückgeblieben, um ihre Flucht zu decken. Hatte er es geschafft zu entkommen? Die Schusswechsel, die sie bei ihrer Flucht aus der Grabanlage gehört hatte, hallten noch in ihrem Kopf.
Alle Antworten lagen in Shisur.
Nach weiteren zehn Minuten Dünenrennen tauchte hinter einem Grat eine kleine Ortschaft auf, in einem flachen Tal inmitten der endlosen Wüste. Die winzige Moschee des Dorfes überragte mit ihrem Minarett die Ansammlung von Hütten und Schlackensteinhäusern. Die Buggys stoppten alle unterhalb des Grats. Ein paar Frauen stiegen aus und krochen zu dem sandigen Kamm. Ihre Umhänge hatten die Farbe des Sandes, und als sie sich flach auf den Bauch legten und ihre Scharfschützengewehre in Stellung brachten, waren sie kaum mehr zu erkennen.
Da Safia einen versehentlichen Schusswechsel befürchtete, stieg sie aus dem Buggy. Kara folgte ihr. Vorsichtig kroch Safia ebenfalls zum Kamm hoch.
Im Dorf unter ihnen war keine Bewegung zu sehen. Hatten die anderen den Lärm der Buggys gehört und sich versteckt, weil sie den Angriff einer unbekannten Gruppe fürchteten?
Safia schaute sich die Umgebung an. Im Norden bedeckten Ruinen, umgeben von einer bröckelnden Mauer, etwa sechs
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