Signale des Körpers: Körpersprache verstehen (German Edition)
Autoren gehen davon aus, der aller-erste Eindruck müsse vom Körperbau ausgehen, während andere an diese Stelle die Haltung einer Person setzen. Wieder andere glauben, die Mimik (insbesondere die Augen) wirkten am schnellsten auf einen Beobachter. M. E. ist diese Fragestellung jedoch müßig, eben weil die Aufeinanderfolge so schnell vor sich geht, daß wir sie nicht klar beschreiben können. Das heißt, die Reihenfolge dieser Teil-Eindrücke ist (zumindest noch) nicht exakt feststellbar. Ob Sie nun den Körperbau einer Person eine Nanosekunde vor der Haltung registrierten, oder umgekehrt, halte ich daher für eine akademische Frage.
1.3 Selbsterkenntnis
Als Billy S. den Kursus belegte, in dem er mit der KRETSCHMERschen Typenlehre konfrontiert wurde, war er übrigens nicht auf der Suche nach mehr Selbsterkenntnis, sondern er suchte mehr Wissen über andere. Dies zeigt, daß man sich Themen der angewandten Menschenkenntnis nicht zuwenden kann, ohne gleichzeitig mehr übersich und seine eigenen Signale zu erfahren. Deswegen halte ich es für besonders wichtig, noch einmal ausdrücklich zu betonen, daß unsere Informationen keine »absoluten Wahrheiten«, bzw. daß selbst Informationen, die Sie selbst für richtig halten, keine Forderungen darstellen. Ein Mensch hat nicht fröhlich zu sein, nur weil er dick ist und weil wir glauben, ein Gesetz entdeckt zu haben, welches Dicksein mit Fröhlichkeit korreliert!
Trotzdem gehen wir davon aus, daß unsere Informationen (vorläufig) »richtig« sind. Aber, wie HUMEs berühmtes Induktionsproblem so wunderbar aufzeigt: Wir können nie davon ausgehen, daß irgend etwas jemals wirklich sicher »bewiesen« werden kann. Was für den Sonnenaufgang gilt, gilt natürlich auch für körpersprachliche Signale (s. Einleitung ).
1.4 Gesetze der Körpersprache
Nehmen wir einmal an, Sie hätten durch Erfahrungen bzw. theoretische Abhandlungen gelernt: »Zusammengepreßte Lippen bedeuten, daß die Person (im Augenblick) nichts aus der Umwelt herein- bzw. nichts in die Umwelt hinauslassen möchte.«
Tausende von Beobachtungen in der Vergangenheit, in denen ein verpreßter Mund vielleicht wirklich ein Sich-Abschließen-gegen-die-Umwelt bedeutete, beweisen jedoch nichts über die Person, deren verpreßter Mund Ihnen morgen oder übermorgen auffallen wird!
Die Wichtigkeit dieses Gedankengangs kann nicht klar genug herausgestellt werden (s. Einleitung ). Denn die nach HUME unzulässige Schlußfolgerung eben dieser Art führte z. B. dazu, daß ARISTOTELES davon ausging, die klügsten Menschen hätten die kleinsten Köpfe, während vor ca. 200 Jahren GALL das Gegenteil behauptete. Hierzu sagt ZEDDIES (94):
»Aus der GALLschen Zeit stammt… die irrige, noch heute gehörte Meinung …, daß der ›Geist‹, d.h. hier soviel wie Intelligenz, sich in der hohen Stirn auspräge. Das Genie muß sich durch eine besonders hohe Stirn von den ungeistigen Menschen unterscheiden, die ›hohe Stirn‹ gilt danach geradezu als untrügliches Zeichen ›hohen Geistes‹ … Der Arzt H. KRUKENBERG hat einmal daraufhingewiesen, wie die Lehre von GALL und die Auffassung seiner Zeit von der Bedeutung des sich in der … (Schädel)form ausprägenden ›Geistigen‹ sogar die Künstler beeinflußt hat. Während GOETHE, wie man auf Silhouetten und besonders auf dem 1777/78 erschienenen Bild noch deutlich feststellen kann, eine zurückliegende, fliehende Stirn hatte, haben ganz besonders wohlwollende Portraitisten GOETHE in seinen letzten Lebensjahren mit einer so mächtigen Stirn begabt, daß sein Kopf geradezu als der ›Typus eines Wasserkopfes‹ gelten könnte.« (S. 17/18)
Nun erhebt sich vielleicht die Frage danach, wie sinnvoll Theorien zur angewandten Menschenkenntnis (hier: zur Körpersprache) angesichts der vorangegangenen Diskussion denn nun »wirklich« seien. Antwort: Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein verpreßter Mund auch morgen dieselbe Information des Sich-Abschließens beinhaltet sehr hoch, aber ganz »sicher« kann man nie sein. Deswegen ist äußerste Vorsicht geboten, wenn es darum geht, gewisse Regelmäßigkeiten der körpersprachlichen Ausdrucksformen zu »Gesetzen« machen zu wollen. Wie MAGEE in seiner wunderbaren Einführung zu POPPERS Denken (58) feststellt, ist das Wort »Gesetz« zweideutig (und zwar in fast allen Sprachen, mit denen ich mich bisher beschäftigt habe!). Während ein Gesetz im juristischen Sinne sehr wohl eine Forderung beinhaltet, ist dies bei Gesetzen, wie
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