Silberband 004 - Der kosmische Lockvogel
die sich außer der Normalbesatzung an Bord befanden, hatten während der
vergangenen Stunden all jene Aufgaben erfüllt, die sonst von erfahrenen Kosmonauten-Technikern
erledigt wurden. Naturgemäß wurden die Prüflinge schärfstens überwacht. Wenn die Abschlußprüfung
auch alles verlangte, was ein Kosmonaut wissen mußte, so waren die Lehrer der Dritten Macht
dennoch niemals leichtsinnig gewesen.
Dies traf besonders auf einen Überlichtsprung zu, bei dem eine winzige Fehlberechnung zur
Katastrophe führen konnte.
Nur zwei Männer an Bord ahnten, daß es diesmal nicht so sehr auf eine exakte Transition ankam.
Natürlich wollte der Kommandant genau springen, wenn er schon springen mußte. In dem Fall kam es
darauf an, das ferne Wega-System auch wirklich zu erreichen.
Deringhouse und Rous waren die Männer, die von Minute zu Minute in steigende Spannung versetzt
wurden.
Julian Tifflor war außer den beiden eingeweihten Kosmonauten vielleicht der dritte Mann, der
hinter Deringhouses gerunzelter Stirn andere Gedankengänge vermutete.
Kadetten wie Eberhardt und Hifield nahmen als selbstverständlich an, daß die steigende
Nervosität des Kommandanten auf die von den Schülern auszuführende Transition zurückzuführen war.
Für einen raumerfahrenen Piloten mochte es auch nicht sehr einfach sein, das Schicksal des
Schiffes durch junge Männer bestimmen zu lassen.
Natürlich hatten sie alle schon viele Überlichtsprünge mitgemacht, nur hatten sie niemals in
eigener Verantwortung zu schalten brauchen. Das war ein kleiner Unterschied, was sich sogar
Hifield eingestand. Es war in etwa identisch mit dem ersten Alleinflug von Flugschülern
vergangener Zeiten. Solche Prüfungen zerrten an den Nerven, obwohl man ganz sicher war, die
Materie einwandfrei zu beherrschen.
Bei der relativ geringen Entfernung der Sonne Wega war ein optischer Direktsprung möglich. Die
Eigengeschwindigkeit des Sterns war im Verhältnis zur Transitionszeit vernachlässigbar klein.
Tifflor, der anerkannt beste Mathematiker der Space Academy, bediente seit einer Stunde den
Rechenautomaten, mit dem die letzten Absprungkorrekturen ermittelt werden mußten. Die dazu
erforderlichen Grunddaten erhielt er aus der oberen Polkuppel, wo die Vergleichsmessungen
vollautomatisch liefen.
Das Zentralgehirn war auf Booten der GOOD-HOPE-Klasse dazu ausersehen, die halbautomatisch
erfolgende Korrektur-Programmation auf die Triebwerke weiterzuleiten, die in letzter Konsequenz
die winzigen Kursabweichungen zu bewirken hatten.
»Klar für Maximalschubleistung. Klar für Stützmassen-Einspritzung«, gab Deringhouse an die
Maschinenleitzentrale durch.
Dort saßen erfahrene Männer hinter den Schaltungen. Die Ingenieur-Prüflinge durften erst dann
die lebenswichtigen Impulse geben, wenn die Daten auch haargenau stimmten.
»Zentrale klar«, kam es aus den Tiefen des Rumpfes zurück. »Stützmasse fünf Sekunden von
T-Manöver.«
Tifflor hörte die verschiedenartigen Meldungen mit. Er wußte nicht genau, warum Deringhouse
und Rous immer nervöser wurden. Es war ihm nur aufgefallen, daß schon zwei Stunden zuvor der
Befehl ergangen war, die Ortungsstation der K-9 zu besetzen.
Dort hockten nur die bewährten O-Funker der Flotte vor den Hypertastern und Strukturgeräten.
Beide Aggregate arbeiteten auf überlichtschneller Basis, was bei der hohen Fahrtstufe der K-9
auch nicht mehr anders möglich war.
Die normale Objektivfassung mußte jetzt kläglich versagen.
Tiff lauschte auf das dumpfe Dröhnen der Triebwerke innerhalb des äquatorialen Ringwulstes.
Das war eine typische Arkonidenbauart, die gegenüber anderen Konstruktionen sicherlich erhebliche
Vorteile hatte. Vordringlich aber wurde die Hauptzelle volumenmäßig entlastet. Die Strahlumkehr
bei Bremsmanövern hatte sich ebenfalls als wesentlich unkomplizierter erwiesen als bei Schiffen
mit Hecktriebwerken.
Diese und zahllose andere Gedanken huschten durch Tiffs Schädel. Seine Berechnungen führte er
nahezu schlafwandlerisch aus.
Als die rote Lampe schwach zu glimmen begann, meldete er über Bordsprecher: »Noch dreizehn
Minuten voll bis Manöver. Voll überschritten, Zähler läuft.«
Deringhouse wandte den Kopf. Ein prüfender Blick fiel auf die leuchtenden Diagrammflächen des
Rechners. Die Daten stimmten.
Es war auffällig, daß Rous auf seine ganz alltägliche und für diesen Zweck kläglich ungenaue
Uhr schielte. In Tiff kam unvermittelt ein ungutes Gefühl
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