Silberband 045 - Menschheit am Abgrund
wird sich zersplittern. Die freien Systeme werden ihre Souveränität behalten, vorausgesetzt, die jeweiligen Regierungen verstehen es einigermaßen geschickt, die Machthaber der drei großen Reiche gegeneinander auszuspielen. Ich zweifle nicht daran.
Terra wird jedoch zum unangreifbaren Symbol im Hintergrund der Ereignisse. Sobald sich die Verhältnisse stabilisiert haben, werden unsere Handelsraumschiffe ihre Transportdienste wieder aufnehmen.
Wahrscheinlich werden kluge Köpfe früher oder später auf die richtige Lösung kommen. Man wird die Ereignisse rekonstruieren und vermuten, daß wir einen Weg gefunden haben, um aus der Anonymität der Zukunft heraus wirken zu können. Das sollte uns nicht stören. Wir sind jederzeit in der Lage, die zeitlich versetzte Labilzone zu verlassen und durch die sogenannte Temporalschleuse die Gegenwart aufzusuchen. Nähere Informationen darüber werden Sie in den nachfolgenden Kommentaren erhalten.«
Rhodan wechselte den Platz mit einem Wissenschaftler des Waringer-Teams. Waringer winkte dem Großadministrator zu und deutete auf einen Bildschirm. Rhodan trat näher. Weiter vorn erklärte der Sprecher technische Details.
»Es ist gelungen«, sagte Waringer fast flüsternd. »Mein Gott – auch das ist gelungen. Die Temporalschleuse steht. Ich weiß nicht, wie man ihre lichte Weite oder ihre Länge messen sollte. Sie gleicht aber einer Röhre. Die hyperphysikalischen Vorgänge erlauben keinen normaldimensionierten Maßstab. Es ist aber sicher, daß wir in das Temporalfeld einfliegen können. Eine Orientierung, wie weit die Relativzeit überwunden wird, bieten die Farbunterschiede innerhalb der Schleuse. Dunkelrot ist unsere Labilzeit. Danach folgen die Farben hellrot, gelb, hellgrün und anschließend weiß. Damit ist die Realzeit wieder erreicht. Die Zustandsebene ist beim Durchflug gewechselt worden.«
»Ein Lob der Theorie«, spöttelte Rhodan, ohne daß er es eigentlich wollte. »Eine Etappenreise in Farben, schön. Und wenn das letzte, wahrscheinlich schwierigste Detail nicht gelingt, Abel? Was dann?«
Waringer deutete auf einen anderen Bildschirm. Auf ihm war plötzlich das Lohen zahlloser, in sich verwehender Atomwolken zu sehen.
»Die erste Beobachtungssonde ist in die Realzeit zurückgekehrt. Das sind Aufnahmen von dort. Die Transmiformstationen haben gezündet.«
Waringer ging schweigend davon. Er mußte mit sich und seinem wissenschaftlichen Triumph allein sein.
Rhodan stand lange vor dem großen Bildschirm, der die Außenwelt zeigte. Das normale Universum, fünf Minuten in der Relativvergangenheit, war zu einer solchen geworden.
»Die neue Epoche hat begonnen. Wie wird sie enden?« überlegte Rhodan, ohne jemand direkt anzusprechen. »Mir scheint, als hätten wir den ersten Schicksalskreis durchwandert. Nun fangen wir wieder von vorne an. Diesmal dürfte es schwieriger sein, die Menschheit zu einen. Wir wollen es versuchen, und immer wieder versuchen. Die Menschheit ist es wert, daß man sich um sie bemüht.«
Rhodan ging ebenfalls. Über Merkur aber stand der hypertronische Zapfstrahl. Er brachte die Energie, die man zur Erhaltung des Antitemporalen Zeitfeldes benötigte.
9.
Ein Jahr später – Oktober 3431
Der Posbi-Raumer BOX-23114 näherte sich mit einer Geschwindigkeit, die etwa ein Zehntel des Lichtes betrug, dem Solsystem. Um es genauer auszudrücken: Er näherte sich der Stelle im Universum, an der noch vor einem Jahr das Solsystem gewesen war.
Es existierte nicht mehr.
Wenigstens nicht mehr im Normalraum und im Jetzt.
Die sechs lebenden Steuergehirne der BOX und vor allen Dingen der Robotkommandant wußten das, denn sie waren die engsten Verbündeten Perry Rhodans und seiner Terraner. Für sie bedeutete es kein Navigationsproblem, den riesigen und mit abenteuerlichen Auswüchsen versehenen Riesenwürfel durch die Temporalschleuse fünf Minuten in die Zukunft und damit ins Solsystem zu bringen.
BOX-23114 gehörte zur Nachschub- und Versorgungsflotte der Posbis, die das völlig isolierte Sternensystem der Terraner mit Gütern und Rohstoffen aller Art belieferten.
In dem Würfelschiff herrschte höchste Alarmbereitschaft. Der Robotkommandant flog nicht zum erstenmal diesen Einsatz, aber diesmal warnte ihn sein organisches Plasmagehirn eindringlich vor der drohenden Gefahr. Nur die Tatsache, daß ihm diese Gefahr von Natur aus unbekannt war, hatte ihn bisher daran gehindert, den Kurs zu ändern und den Versuch zu unternehmen, im Linearraum
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