Silberband 073 - Schach der Finsternis
überlegenen Mittel, die es bis jetzt angewendet hatte, niemals zum Erfolg führen würden. Gerade dem Ungewohnten, Unbekannten hatten die Menschen, um die es in diesem Spiel ging, zu widerstehen verstanden. Hatte es sich darum jetzt in der letzten Phase zum Einsatz unkomplizierter Mittel entschlossen, weil es diesen eine größere Erfolgschance beimaß?
Die Minuten verstrichen. Oben, so hofften die im Labor Eingeschlossenen, waren die beiden Oxtorner an der Arbeit, Pumpen zu installieren und das eingedrungene Giftgas abzusaugen. Man mußte warten, bis sie sich wieder meldeten. Vorher ließ sich nichts tun. Besorgt musterte Atlan den reglosen Körper des Freundes unter der Glassitglocke. Hatte sein Bewußtsein die weite Reise durch die Tiefe der Universen nur unternommen, um hier, in der heimatlichen Galaxis, endgültig den Tod zu finden? Mußte es nicht eine höhere Gerechtigkeit geben, die ein derart grausames Schicksal verhinderte?
Er wußte nicht, woher ihm der Gedanke plötzlich gekommen war. Auf einmal stand er mitten in seinem Bewußtsein, nackt und allein, ohne Bezug zu vorher Gedachtem: Chlor reagiert mit Wasserstoff! Er war verblüfft, aber dann geriet der Denkvorgang in hektische Bewegung. Wie, wenn das Einpumpen von Chlor nur eine Phase des gegnerischen Angriffs war? Wenn es noch eine zweite Phase gab, die sich des Chlors bediente, um eine weitaus wirksamere Gefahr heraufzubeschwören, als es das Giftgas allein vermochte?
Ling Zoffar zuckte zusammen, als der Arkonide ihn plötzlich anfuhr: »Wie wird die Klinik belüftet?«
»Frischluftzufuhr durch Druckleitung von unten«, antwortete er. »Ablüftung durch Absaugen nach oben.«
Er sah, wie Atlan erblaßte. Ein paar Sekunden vergingen, bis der Arkonide sich wieder in der Gewalt hatte. »Ich fürchte«, sagte er mit ruhiger Stimme, »die Gefahr ist wesentlich größer, als wir dachten.«
31.
Tulocky überlegte nicht lange. Ob der Roboter bewaffnet war oder nicht, das spielte keine Rolle. Aus der Mündung des Strahlers löste sich fauchend ein daumendicker Energiestrahl. Das Maschinenwesen stockte. Das grelle Energiebündel fraß sich ihm in den Leib. Es gab eine Explosion. Glühende Metallteile regneten nach allen Seiten. Mittlerweile war es auch drüben, wo Powlor Ortokur stecken mußte, lebendig geworden. Heftiger Schußwechsel war zu hören, und zwischendurch erklang Ortokurs wütendes Geschrei.
Tulocky hastete durch den grünlichen Nebel. Das Wrack der Pumpe tauchte vor ihm auf. In der Deckung dahinter kauerte Powlor Ortokur.
»Ruhig! Ich bin's!« knurrte Tulocky, als er sah, wie Ortokur mit der Waffe in der Hand herumfuhr.
»Eine ganze Armee von Robotern da vor uns«, zischte Ortokur, nachdem sich Tulocky neben ihm in Deckung geworfen hatte.
»Bewaffnet?«
»Die wenigsten. Hauptsächlich Werkroboter, aber es sind mindestens zwei Kampfrobots dabei.«
Aus den treibenden Nebelschwaden tauchte eine stämmige Gestalt auf. Die kantigen, rechteckigen Umrisse des Robotkörpers waren unverkennbar. Powlor Ortokur feuerte blitzschnell. Das gleißende Energiebündel zerriß die Chlorschwaden. Der Roboter taumelte und ging mit blechernem Geklapper zu Boden.
»Möchte wissen, wer die umprogrammiert hat«, schnaufte Ortokur.
»Derselbe, der die Kybernetik falsch geschaltet hat«, vermutete Neryman Tulocky.
Er blickte ringsum. Der grüne Nebel war trügerisch. Er dämpfte die Geräusche und verfälschte sie. Vor den Werkrobotern brauchte man sich nicht zu fürchten. Erstens befähigte sie ihr primitives positronisches Gehirn keineswegs zu den Feinheiten taktischer Kriegführung. Anders stand es mit den Kampfmaschinen. Sie verstanden ihr Geschäft.
Tulocky fragte sich, wie die Kampfroboter als intelligente Maschinen sich mit der Erkenntnis zurechtfanden, daß zwei organische Wesen, denen das Chlorgas schon längst den Garaus hätte machen müssen, hier noch munter am Leben waren und Widerstand leisteten. Vielleicht ließ sich daraus ein Vorteil ableiten. Die Roboter mußten verwirrt sein. Er stieß Ortokur an.
»Ich sehe mich um, Tongh«, sagte er leise. »Wir können nicht für alle Zeiten hier steckenbleiben!«
»Sei vorsichtig«, raunte Ortokur. »Die Biester sind schlau!«
Neryman Tulocky verschwand im Nebel. Er wußte, daß er sich auf gefährlicher Mission befand. Das Sehvermögen der Kampfroboter war weitaus besser als das seine. Sie ließen sich durch den Nebel kaum stören. Er dagegen konnte Gegenstände erst aus wenigen Metern Entfernung
Weitere Kostenlose Bücher