Silberband 075 - Die Laren
nachzudenken, daß der Weltuntergang in weniger als zwei Wochen stattfinden würde. Erstaunlich, aber – es gab noch immer keine Panik. Im Gegenteil. Die Reaktionen waren ganz anders als vorausberechnet.
19.
Es war der 24. Mai. Orana Sestore flüsterte nahe an Perrys Ohr: »Die Zeit läuft ab. Langsam, aber unerbittlich. Auch Icho Tolot wird unruhig. Wir werden es als erste erfahren, wenn die Suche Erfolg hat, nicht wahr?«
»Darauf kannst du dich verlassen, Liebste!« versicherte Perry.
Sie lagen auf dem riesigen Bett, das im Zentrum des Raumes stand. Der kugelförmige Raum war ein Teil des Hauses an der Steilküste Australiens. Ein kleiner Antigravschacht führte durch die Felsen senkrecht hinab bis tief unter die Wasseroberfläche. Von dort hatte man ein dickwandiges Kunststoffrohr bis zu der verankerten durchsichtigen Kugel gelegt. Hier unten, etwa zwanzig Meter unter dem Wasserspiegel, hörte man nur das Summen der Klimaanlage. Die Kugel war zweistöckig; die kleinen Wohnräume lagen in der ›nördlichen‹ Hemisphäre, die winzige Küche und das Arbeitszimmerchen darunter. Der Raum war vollständig dunkel, aber einige verdeckte Unterwasserscheinwerfer verwandelten die Korallen und die Sandlandschaft des Meeresbodens in eine geheimnisvolle Umwelt. Sie hatte den unbestreitbaren Vorteil, die aufgewühlten Nerven der beiden Menschen zu beruhigen.
Langsam bewegte sich Perry, griff nach dem Sektpokal, den er auf dem weichen Teppich abgestellt hatte, und sagte leise: »Du bist nervös. Ich spüre, daß du dich zwingst, ruhig zu bleiben.«
Sie wandte ihm ihre großen Augen zu. »Du hast recht. Es ist wohl kein Wunder bei den Ereignissen der letzten Wochen. Genaugenommen habe ich Angst. Im Augenblick nicht; du bist bei mir.«
Normalerweise bewohnte Orana Rhodan-Sestore den Bungalow, der in die Klippen hineingebaut war. Von nahezu jedem Fenster des Hauses sah sie hinunter auf die Wellen, die sich am Korallenriff brachen. Entlang dem Riff waren in den letzten Jahrzehnten Unterwasserstädte entstanden. Auch zum Haus Oranas gab es eine kleine Tunnelzufahrt und einen Landungssteg, und auf Rhodans Wunsch hatte man einen mittelgroßen Transmitter aufgestellt. Durch diese Verbindung war er vor einigen Stunden gekommen, nachdem er von der Administration aus die Panikpläne und die Katastropheneinsätze gestartet und teilweise intensiviert hatte. Jetzt ruhte er sich aus. Der Zellaktivator schickte seine kräftigenden Impulse und Wellen durch seinen Körper.
»Das ist Illusion«, erklärte Perry leise. »Denn in Wirklichkeit kann ich dir nicht helfen. Ich glaube, ich kann nicht einmal mehr der Erde helfen. Aber in den nächsten Stunden werden wir darüber nicht sprechen – nur über uns.«
Sie konnten sich nur langsam entspannen. Die tragische Gefahr lag wie eine drohende Masse über ihnen, die bereit war, jeden Moment herunterzustürzen. Rhodan wußte, daß auch Atlan – der unweit dieses Hauses im Versteck lebte, nachdem er für die Laren und die gesamte Menschheit für tot erklärt worden war – seine Sorgen teilte. Die besten Hirne, die schlagkräftigsten Wissenschaftler, der Verstand und die Klugheit aller Menschen zusammengenommen, sie suchten nach einem Ausweg, nach einer Lösung.
Später schliefen sie tatsächlich ein.
Am frühen Morgen, Rhodan stellte dies durch eine erste Helligkeit des umgebenden Wassers fest und dann erst durch einen Blick auf die Uhr, stand er auf. Er ging die Wendeltreppe hinunter, duschte sich und zog sich an. Dann schloß er die Tür, schaltete das große Visiphon ein und drückte nach kurzem Nachdenken eine Nummer.
Oranas Sekretärin meldete sich. »Ah, Sie sind es, Großadministrator. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich brauche zuerst die Zusammenfassung aller Intern-Nachrichten. Und dann eine Verbindung zu Atlan und zu Waringers Team. Können Sie das erledigen?«
»Selbstverständlich. Wie geht es Orana?«
Rhodan versuchte ein zaghaftes Lächeln. »Sie schläft. Ich denke, sie hat ein wenig von ihrer nervösen Spannung verloren. Aber sie macht den Eindruck einer entschärften Waffe, die jederzeit detonieren kann. Wie ein überhitzter Meiler.«
Die Sekretärin versprach: »Ich werde mich weiterhin um sie kümmern. Tolot ist auch schon in Sorge. Er ist der beste Hauswächter, den wir je hatten. Nur ein bißchen unpraktisch, weil er gegen jede Decke stößt.« Sie lachte kurz und schaltete um.
Nachrichten und Bildberichte liefen über den Schirm. Die verschiedenen
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