Silberband 076 - Raumschiff Erde
Energiebahnen durchzogen. Erde und Mond verschwanden hinter bunt wabernden Flammenwänden. Die Eruptionen an der Oberfläche der Sonne nahmen bisher nie gekannte Ausmaße an. Protuberanzen von gigantischer Größe schossen wirbelnd in den Raum hinaus.
Der Feuerzauber dauerte zwanzig Sekunden. So plötzlich, wie er gekommen war, verging er wieder. Die Erde, der Mond, die sechsundneunzigtausend Raumschiffe und der Pulkverband der Kunstsonnen – sie alle waren spurlos verschwunden. In den Herzen der Männer der SISTINA, die aus sicherer Entfernung den ungeheuerlichen Vorgang beobachtet hatten, blieb ein Gefühl der Leere zurück. Das kleine Fahrzeug verhielt an Ort und Stelle, bis die Meßgeräte jene Serie von Signalen empfingen, die anzeigten, daß Kobold planmäßig beschleunigte und sich von seiner bisherigen Bahn entfernte. Erste Bahnwerte entsprachen genau den Erwartungen. Denn das war Perry Rhodans Plan: Kobold, der Zwerg mit der Masse der Erde, sollte den Platz der Erde auf deren Orbit um die Sonne einnehmen. Das Gleichgewicht der Planetenmassen innerhalb des Sonnensystems sollte wenigstens annähernd gewahrt bleiben, um zu verhindern, daß das System, durch das Verschwinden eines seiner Planeten aus der Balance gebracht, sich selbst vernichtete.
Dann machte sich die SISTINA auf den Weg. Der Gegner, unversehens seines Ziels beraubt, befand sich in heilloser Verwirrung. Man kümmerte sich nicht um das winzige Fahrzeug. An Bord der SISTINA jedoch bemerkte man, wie sich am Rande des Sonnensystems pariczanische Raumschiffpulks zu Verbänden zusammenschlossen und Kurs auf die einzelnen von Menschen besiedelten Planeten und Monde nahmen. Leticron hatte es nicht geschafft, die Menschheit auszuradieren. Um so heftiger würde er seinen maßlosen Zorn an denen auslassen, die zurückgeblieben waren, weil sie seine Drohungen nicht ernst genommen hatten.
18,71 Milliarden Menschen waren mit der Erde geflohen. 2,39 Milliarden Solarier jedoch blieben im Sonnensystem zurück – auf dem Mars, in verschiedenen Stationen auf Venus, Jupiter und Saturn und auf den großen Monden der äußeren Planeten. Den Männern an Bord der SISTINA verkrampfte sich das Herz, wenn sie an das Schicksal dachten, das die Unglücklichen erwartete.
»Augenblick!« brummte Efrem Marabor im Tonfall höchster Verwunderung.
Die SISTINA stand kurz vor dem Eintritt in den Linearraum. Seitwärts von ihr bewegte sich ein Verband von achtzig Walzenraumschiffen auf Uranus zu. Der Abstand betrug in diesem Augenblick nur zwanzig Lichtsekunden. Es bestand kein Zweifel, daß die Pariczaner das terranische Fahrzeug wahrgenommen hatten; aber sie ließen es unbeachtet.
»Was ist los?« erkundigte sich Major Ruitkon, Marabors Kopilot, nur halb interessiert, noch immer benommen von dem unglaublichen Schauspiel, dessen Augenzeuge er vor kurzem geworden war.
»Derselbe Erkennungskode«, murmelte Marabor. »Ganz genau derselbe, bis auf den letzten Bit!«
»Myrianad …?« stieß Ruitkon hervor.
»Sieht so aus«, antwortete Marabor. »Aber sein Raumschiff wurde beim Anflug auf Merkur vernichtet. Wie kann …«
»Womöglich ist bei den Pariczanern der Kode auf den Mann und nicht auf das Fahrzeug abgestimmt«, unterbrach ihn Ruitkon. »Myrianad hat ein neues Fahrzeug bekommen – aber der Kom-Prozessor benutzt noch immer den alten Kode.«
Sie musterten die Anzeige. Das Signal kam aus dem Pulk, der soeben in Richtung Uranus an der SISTINA vorbeigeflogen war. Marabor überlegte fieberhaft. Wenn er die Pariczaner offen verfolgte, hatte er keine Chance. Die SISTINA war ein prächtiges kleines Raumschiff, aber es mit achtzig Walzenraumern auf einmal aufzunehmen, das würde auch sie nicht schadlos fertigbringen.
»Mit einem winzigen Linearmanöver müßte es gehen«, knurrte Marabor, vom Jagdfieber gepackt.
Ruitkon starrte ihn entgeistert an. »Über diese Distanz? Wir befinden uns nicht einmal auf dem richtigen Kurs!«
»Ich korrigiere«, stieß Marabor hervor. »Wenn wir alle Reserven einsetzen, schaffen wir es. Inzwischen versuchen Sie zu ermitteln, von welchem Fahrzeug innerhalb des Pulks dieser Kode kommt. Wenn wir plötzlich mitten unter den Brüdern auftauchen, wollen wir wissen, an wen wir uns zu halten haben!«
Ruitkon machte sich sofort an die Arbeit. Hektische Aktivität erfüllte den kleinen Kommandostand. Die Triebwerke verzehrten den größten Teil der Fahrt, die die SISTINA bereits aufgenommen hatte, und zwangen sie in eine enge Kurve,
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