Silberband 081 - Aphilie
Kampfrobotern. Breslauer hatte doppeltes Glück. Einmal, dass die Schutzschirme der TARA-III-UH nicht aktiviert waren, und zum anderen, dass sie so dicht nebeneinander standen.
In seiner Brust klaffte jetzt ein großes Loch. Biomolplast und Kleidung hatten sich aufgelöst. In der Öffnung waren Lauf und Projektormündung der schweren Waffe zu sehen.
Der Mann, der das Armbandfunkgerät gehalten hatte, starrte auf seine verbrannten Hände. Er stand unter Schock. Der zweite Mann schrie. Die drei TARAs torkelten zur Seite. Breslauer hatte ihre Organbänder getroffen und sie damit kampfunfähig gemacht.
Unmittelbar nach den ersten Schüssen stand Breslauer schon zwischen den beiden Polizeirobotern und ließ seine Fäuste auf sie hinabsausen. Die Schläge waren so heftig, dass die Kugelköpfe der Roboter zerplatzten und die Positroniken in Fetzen herausfielen.
Dann packte er den schreienden Aphiliker und hielt ihn als Schild vor sich. Im Vorbeigehen wischte er mit einem Tritt den anderen Mann von den Beinen.
In diesem Augenblick heulte der Alarm auf. Breslauer hatte das schon früher erwartet. Er brauchte wegen des Lärms auch keine besonderen Maßnahmen zu treffen, denn allgemeiner Alarm steigerte die anfängliche Verwirrung nur. Niemand wusste, was wirklich los war.
»Es ist besser, wenn Sie jetzt still sind, Sir«, sagte er zu dem schreienden Mann in seinen Armen. Der Aphiliker verstummte augenblicklich.
Das Tor zum Vorraum war geschlossen. Es bestand aus transparentem Panzerglas. Breslauer warf sich mit dem Rücken dagegen, um den Gefangenen nicht zu verletzen. Das Glas zerbarst. Breslauer trat durch die Lücke und wandte sich dem Eingang des großen Saales zu.
»Was hast du eigentlich vor?«, fragte der Aphiliker.
»Ich hole Reginald Bull heraus«, sagte Breslauer lakonisch.
Die Detonation einer Bombe mitten in diesem großen Raum hätte keine durchschlagendere Wirkung erzielen können als Bulls Ausruf. Der Aktivatorträger spürte, dass alles, was ihn mit den anwesenden Personen verbunden hatte, inzwischen trennend wirkte. Gleichzeitig war er sich bewusst, dass er mit seiner Unbeherrschtheit einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen hatte. Der Gefühlsausbruch hatte ihn verraten.
Andererseits war es zweifelhaft, ob es ihm gelungen wäre, seine Wandlung vor den Aphilikern zu verbergen.
Segtschel erholte sich zuerst von seiner Überraschung. »Sie sind nicht mehr aphilisch!«, schrie er Bull ins Gesicht.
Die anderen sprangen von ihren Sitzen auf und riefen durcheinander. Seit Beginn der Aphilie hatte Bull in diesen Räumen keinen derartigen Tumult erlebt.
Seltsamerweise schien in diesen Sekunden niemand daran zu denken, ihn anzugreifen. Vielleicht lag es an seiner persönlichen Autorität. Immerhin war er seit vierzig Jahren Regierungschef und in diesem Raum das einzige Mitglied der ersten Aphilie-Regierung. So etwas ließ sich nicht von einem Moment zum anderen wegwischen.
Bull beobachtete die Szene und fragte sich, was geschehen würde. Er hätte einen Fluchtversuch wagen können, doch er wusste, dass er kaum einen Schritt in Richtung des Ausgangs geschafft hätte. Jede Bewegung hätte die Meute veranlasst, über ihn herzufallen.
Allein der Tatsache, dass er noch immer am Kopf des Tisches stand und sie alle ansah, verdankte er im Augenblick seine Freiheit.
Einige Ratsmitglieder behaupteten, dass sie längst geargwöhnt hätten, dass Bull nicht mehr in Ordnung sei. Schon jetzt, begriff er, war der Streit um seine Nachfolge entbrannt. Er bedauerte, dass die Sitzung geheim war. Sich vorzustellen, dass dieses Spektakel als öffentliche Sitzung über Terravision verbreitet würde, amüsierte ihn.
Er bemerkte, dass er wieder des ganzen Spektrums menschlicher Gefühle fähig war. Das war überwältigend. Er konnte es nur damit vergleichen, dass ein Blinder plötzlich wieder sehen konnte, aber was ihm widerfuhr, war bestimmt noch viel schöner und beeindruckender.
Es war eine Art Wiedergeburt.
Eine Stimme übertönte den Lärm: »Was soll mit ihm geschehen?«
Wie auf ein verabredetes Zeichen hin hörten die Minister auf, sich gegenseitig zu beschimpfen, und starrten Bull an.
Es wurde still.
»Sie tun mir alle sehr Leid«, sagte Bull traurig. »Vor wenigen Augenblicken war ich noch einer der Ihren. Ich verstehe also genau, was in Ihnen vorgeht. Ich kann nicht erwarten, dass Sie umgekehrt mich verstehen. Für Sie bin ich ein Kranker.« Er holte tief Atem. »Ich bin froh, ein Kranker zu
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