Silberband 099 - Treibgut der Sterne
»Woher weißt du das alles? Es kann unmöglich von Anfang an in deinem Wissensschatz enthalten gewesen sein.«
»Ich benütze jede Gelegenheit für neue Lernprozesse. Denn wozu …«
Von irgendwoher gellte ein Schrei.
»Das war Marboo!«, rief Walik.
Ein Gedanke schoss Marboo durch den Kopf. Sie war sicherer, wenn sie bewusstlos war. Wie wollte Bosketch sie dann quälen? Sie hastete weiter auf den Ausgang zu.
»Stehen bleiben!«, brüllte Bosketch.
Noch wenige Schritte, und sie hatte den Ausgang erreicht. Vielleicht würde Bosketch nicht einmal schießen … In dem Moment hörte sie das durchdringende Singen des Schockers. Eine Welle aus peinigendem Schmerz schlug über ihr zusammen.
Zornig musterte Bosketch die Bewusstlose. »Dumme Gans!«, knurrte er. »Musstest du das tun?«
Aus einer Richtung, aus der er es am wenigsten erwartet hatte, erhielt er Antwort: »Was blieb ihr anderes übrig, du Scheusal?«
Bosketch zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Er wollte sich umdrehen, doch sein Instinkt bewahrte ihn davor. Noch hielt er die Waffe schussbereit in der Hand. Derjenige, der so unvermutet hinter ihm erschienen war, hätte ihn unweigerlich niedergeschossen.
»Höre ich recht?«, stöhnte Bosketch. »Bist du das, Ver?«
»Gerade noch zur rechten Zeit, wie mir scheint. Sepi wird auch gleich hier sein. Es dürfte ihm nicht schwerfallen, deine altertümlichen Roboter an der Nase herumzuführen.«
Dröhnend zerbarst in diesem Augenblick eine Tür. Fassungslos sah Bosketch zwei Gestalten durch die Bresche stürmen – einen Mann und einen Roboter. Wie durch einen wabernden Schleier hindurch erkannte er Marboos Ehemann. Walik Kauk zielte mit einem Thermostrahler auf ihn.
Nur zögernd senkte Walik die flirrende Projektormündung. »Abgerechnet wird später«, sagte er dumpf. »Augustus, nimm Marboo …!«
Ein unheimliches Knirschen steigerte sich sekundenschnell zum Dröhnen. Ein deutlicher Ruck erschütterte die Villa, das große Fenster zerbarst mit peitschendem Knall.
»Alle raus, bevor wir verschüttet werden!«, schrie Walik.
Augustus trug die bewegungsunfähige Marboo. Das Haus wankte. Walik folgte den beiden, prallte gegen eine Wand, hatte plötzlich Stufen unter den Füßen und stürmte eine breite Treppe hinab. Eisiger Wind fauchte ihm entgegen, und ein unheilvolles Bersten und Krachen übertönte jedes andere Geräusch.
Jemand drängte Walik nach rechts. Andernfalls hätte er den Gleiter verfehlt, der auf dem offenen Hof stand. Es musste Bosketchs Fahrzeug sein, und in diesem Augenblick erschien es wie der einzig sichere Platz weit und breit. Behutsam legte Augustus die Bewusstlose auf einen der Sitze.
»Übernimm die Kontrollen!«, befahl Walik.
Mit Mühe brachte der Ka-zwo den Gleiter vom Boden hoch, bugsierte ihn aus dem Hof hinaus und nahm Kurs auf die südöstliche Talwand.
Gerade als Walik neue Hoffnung schöpfte, flammte die Nacht auf. Ein geisterhaftes Leuchten vertrieb die Finsternis und umhüllte das schwankende Fahrzeug.
»Das Triebwerk hat keine Leistung mehr!«, meldete Augustus.
Walik hatte das Empfinden schwerelosen Fallens. Dann gab es einen donnernden Krach, er schlug schwer auf und verlor die Besinnung.
Als Walik Kauk wieder zu sich kam, saß Augustus neben ihm und starrte in stoischer Gelassenheit nach draußen. Marboo lag auf der Sitzbank. Sie schlief, ebenso wie Ver Bix und Sepi Altamare.
Der hintere Bereich des Gleiters mit dem Triebwerk hatte sich erheblich verformt, den Aufprall damit aber teilweise neutralisiert. Durch das Bugfenster war die Bergkette im Südosten zu erkennen. Die Sonne stand erst eine Handbreit über dem Horizont. Walik erkannte, dass er an die fünf Stunden lang bewusstlos gewesen sein musste.
»Was ist geschehen?«, fragte er stockend.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Augustus.
Walik öffnete den Ausstieg und schwang sich nach draußen. Sein Schädel dröhnte erbärmlich. Trotzdem ging er um das Fahrzeug herum und schaute suchend in Richtung der Villa. Das mächtige Gebäude war nur mehr ein Schutthaufen. Falls Bosketch sich nicht rechtzeitig ins Freie gerettet hatte, lebte er nicht mehr.
Der Gleiter war nicht weiter als zweihundert Meter von dem Haus entfernt abgestürzt. Walik eilte hinüber. Er wollte wenigstens bis zu der Freitreppe vordringen.
Dort fand er Bosketch, der anscheinend im letzten Augenblick begriffen hatte, dass die Villa zur Falle für ihn wurde. Am Fuß der Treppe hatten ihn die Trümmermassen dennoch
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