Silberband 100 - BARDIOC
Körper besessen hatte, war er von der Idee geleitet worden, einen eigenen Machtbereich aufzubauen. Dieser Plan war für das Gehirn immer noch lebendig, es versuchte sogar im schlafenden Zustand dessen Verwirklichung.
Etwa fünftausend Jahre nach der Zerstörung der Kapsel ›beherrschte‹ der schlafende Mächtige ein Gebiet von zehn Quadratmetern, so weit waren seine Gehirnwindungen ausgeufert. Bardioc wartete jetzt nicht mehr, bis die Pflanzen ihre Wurzeln in die neu entstandenen Zellgruppierungen schoben, sondern wuchs der Flora entgegen, berührte Blätter, Stiele, Äste und Blüten. Auf diese Weise gelang es ihm, sein Wachstum zu beschleunigen, wenngleich es in diesem Anfangsstadium noch quälend langsam voranging. Gemessen an den Ansprüchen des Schläfers war der Bezirk um die Bodenhöhle winzig und unbedeutend.
Bald stellte sich heraus, dass Bardiocs Wachstum mit zunehmender Ausdehnung des Gehirns schneller voranschritt. Der Kontakt mit den Pflanzen war nach den Jahrtausenden der Gefangenschaft für ihn ein ungewöhnliches Erlebnis, sodass er sich lange Zeit damit zufriedengab. Mit den Jahren jedoch wurden die Träume des Schläfers eintönig, und nicht einmal die Einbeziehung weiterer Gebiete und neuer Pflanzenarten brachte die ersehnte Abwechslung.
Unbewusst erkannte Bardioc, dass dies an seiner Unbeweglichkeit lag. Die Körper, derer er sich bediente, waren mit Wurzeln im Boden verwachsen. Das bedeutete, dass Bardioc sich nur in dem Maß bewegen konnte, wie sein Gehirn sich weiter ausdehnte oder die Pflanzen innerhalb seines Herrschaftsbereichs Ableger bildeten.
Bardioc träumte von einer Möglichkeit, diesen Zustand zu ändern.
Er begann, seine Gedanken den Tieren zu übermitteln, die in diesem Gebiet lebten. Das erwies sich als problematisch, denn die primitiven Geschöpfe waren nicht in der Lage, in seinem Sinn zu reagieren. Anfangs riefen seine Befehle nur heillose Verwirrung hervor.
Bardioc erkannte, dass allein intelligente Wesen fähig gewesen wären, auf die hypnosuggestive Beeinflussung folgerichtig zu reagieren. Doch auf dem Planeten gab es kein intelligentes Leben. Es war nicht vorauszusehen, wann die Evolution diesen Schritt endlich einleiten würde – falls es überhaupt jemals dazu kommen sollte.
Auf einen zufällig vorbeiziehenden Schwarm zu hoffen war so absurd, dass Bardioc nicht einmal in seinem Traum einen Gedanken daran verschwendete.
Er hatte sich weiter ausgedehnt und bedeckte eine Fläche von mehreren hundert Quadratmetern. Bisher waren die Zellverbände wild gewuchert, um möglichst viele Pflanzen zu erreichen. Nun stellte sich heraus, dass die Versorgung dieser Stränge vom Urgehirn aus problematisch wurde. Die Gefahr wuchs, dass Bardiocs Netz von Gehirnwindungen in der Peripherie außer Kontrolle geriet. Der Schläfer reagierte ratlos, zumal er die Zusammenhänge in seinem Zustand nur unbewusst erfasste.
Wahrscheinlich wäre dieses Stadium in der Entwicklung Bardiocs das Ende gewesen, hätte nicht eine natürliche Entwicklung regulierend eingegriffen.
Wo die Gehirnwindungen einander überlappten, Seitenarme bildeten und sich ausdehnten, entstanden Verdickungen. Man konnte sie als organische Relais bezeichnen, die eine Reihe von Aufgaben erfüllten.
Zunächst sorgten sie dafür, dass für den Randbereich des Gehirns ideale Lebensbedingungen geschaffen wurden und die Versorgung nicht abriss. Außerdem gaben sie Informationen an das Zentralhirn und nahmen dessen Impulse entgegen.
Das Entstehen dieser Außenschaltstellen war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung Bardiocs hin zu einer Superintelligenz.
Das Gehirn wuchs weiter, ließ seine ersten Relais hinter sich und bildete in einem Radius von mehreren hundert Metern weitere Relais. So entstand mit der Zeit ein System verschieden großer Organklumpen, denen die Funktion zukam, dem zentralen Gehirn die Kontrolle und Steuerung seines größer werdenden ›Körpers‹ zu ermöglichen.
An den Nahtstellen, die sich zuerst entwickelt hatten, wuchsen kleine knollenartige Gebilde, regelrechte Pseudogehirne mit zunächst noch sehr schwachen eigenen Fähigkeiten. Diese Auswüchse konnten abgestoßen werden, ohne dass sie dabei abstarben. Im Gras wuchsen sie weiter und integrierten sich wieder in das Gesamtnetz. So entstand ein stetig größer werdendes Gehirn.
Eines Tages fiel ein solcher Gehirnklumpen auf ein großes Nagetier und blieb an dessen Fell haften. Der Zufall hatte Bardioc geholfen, die Tiere in seine
Weitere Kostenlose Bücher