Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
Tosen bereits abschalten wollte, hörte er die Stimme des Patriarchen. »So dumm, wie du glaubst, Bruke, sind wir nicht.«
Wie betäubt blickte Goron auf die Füße der Männer und Frauen, die an ihm vorbei durch den Antigravtunnel gingen. Nie zuvor war er so gedemütigt worden. Vor allem wusste er nicht, warum der Terraner ihn getreten hatte.
Niemand hatte ihm je zu verstehen gegeben, dass er ihn nicht respektierte. Viele suchten sogar die Begegnung mit ihm, weil sie ihn schätzten, doch jetzt hatte der Arkonide das Gefühl, dass eine Welt zusammengebrochen war.
Nie mehr würde er mit dem Gefühl des Stolzes auf die Passagiere eines Raumschiffs zugehen. Bislang hatte er alle als Freunde angesehen, die ihm die Ehre zukommen ließen, die Welt seiner Familie zu besuchen – obwohl Jarvith-Jarv längst nicht mehr seine Welt war. Er hing an der Tradition, ebenso wie viele Bewohner des Planeten, und so hatte er den Eindruck, dass der Tritt weniger ihm als den Traditionen gegolten hatte.
Ihm kam nicht in den Sinn, dass er die Geduld der Reisenden überstrapaziert hatte. Für ihn gab es keine Zeitnot und keine Ungeduld, er hatte sich niemals antreiben lassen und stets in dem Bewusstsein gelebt, dass nichts wirklich eilig war. Daher war der demütigende Tritt wie aus heiterem Himmel gekommen.
Goron erhob sich und strich seine Uniformjacke glatt.
Amby Törn tauchte plötzlich neben ihm auf. Sie legte ihm die Hand auf den Arm und blickte zu ihm hoch. »Es tut mir leid«, sagte sie mitfühlend. »Ich glaube nicht, dass er dich beleidigen wollte.«
»Lass nur, Amby. Ich weiß, du meinst es gut.« Seine Stimme klang, als sei etwas in ihm zerbrochen.
»Ich glaube, Vern hat dich gar nicht gemeint«, bemerkte die Frau. »Seine Nerven haben ihm einen Streich gespielt, er konnte nicht warten.«
»Er konnte nicht warten?« Goron war maßlos erstaunt. »Warum nicht?«
Amby zuckte die Achseln. »Ich kann es dir nicht erklären. Es gibt eben Menschen, denen kann es nie schnell genug gehen.«
Gorons Miene verdüsterte sich. »Er wird lernen, Zeit zu haben. Verlass dich darauf, ich werde es ihm beibringen.«
Amby Törn lächelte ungläubig, als er an ihr vorbeiging. Sie folgte ihm langsam bis in die Empfangshalle.
Stocksteif ging Goron an dem Terraner, der ihn beleidigt hatte, und den anderen Reisenden vorbei. Er würdigte sie keines Blickes, obwohl er sonst leutselig Kontakt suchte, wohl wissend, wie er auf die Ankommenden wirkte.
Erstaunt stellte Amby Törn fest, dass bislang kein Importkontrolleur anwesend war.
»Du kennst dich hier aus ...« Gruude Vern spielte scheinbar gedankenverloren mit seinen Fingerringen. »Wie lange werden wir hier warten müssen?«
Das braune Lockenhaar umrahmte sein kantiges Gesicht wie eine Kappe. Er wirkte hart und gefühlskalt, dennoch war er Amby nicht unsympathisch. Als störend empfand sie, dass er sich dandyhaft kleidete und so auffallenden Schmuck trug.
»Warum hast du den Alten getreten?«, fragte sie. »Es ist, als hättest du ihn ins Herz getroffen.«
»Was kann ich dafür, wenn er das Herz in der Hose hat?« Vern grinste.
Einige Touristen, die in der Nähe standen, lachten laut auf.
Amby verlor die Beherrschung. Sie glaubte, Verns selbstgefälliges Grinsen nicht mehr ertragen zu können. Ihre Hand klatschte ins Gesicht des Terraners, bevor sie überhaupt verstand, was sie tat.
Sein Grinsen konnte sie damit nicht wegwischen. Gedankenschnell packte Vern ihre Hand. »Wie nett«, spottete er. »Ich wusste gar nicht, dass du so aus dir herausgehen kannst.«
»Der Arkonide wird sich rächen; du hättest das nicht tun dürfen.« Sie riss sich los und wollte den Raum verlassen, obwohl sie das nicht durfte, bevor sie ebenso wie die anderen Reisenden kontrolliert worden war.
In dem Moment kam Bruke Tosen. Sofort vergaß Amby den Vorfall mit Vern. »Bruke.« Sie eilte ihm entgegen. »Ich hatte gehofft, dass du Dienst tust.«
Er lächelte höflich. »Du bist schon zurück, Amby?«
»Ich hatte dir ein Hypergramm geschrieben.«
»Ach ja, natürlich. Das hatte ich beinahe vergessen.«
»Was ist mit dir?«, fragte sie. »Ist etwas geschehen?«
»Allerhand sogar. Ich habe dienstlichen Ärger.« Tosen sprach so leise, dass nur Amby ihn verstehen konnte.
»Warum geht es nicht weiter?« Gruude Vern trat auf den Importkontrolleur zu und zeigte auf sein Gepäck. »Würdest du dich herablassen, uns endlich den Weg freizugeben?«
Bruke Tosen blickte den Terraner durchdringend an.
Weitere Kostenlose Bücher