Silberfieber
frische Luft hinaus. Wieder setzte er seinen Rucksack ab. Er lehnte ihn gegen seine Beine, und betrachtete die an- und abfahrenden Taxis.
Dann fasste er einen Entschluss und drückte auf die Wahlwiederholungstaste seines Handys. Die einzige Nummer, die er während der letzten Tage gewählt hatte, erschien. Auf Nova Scotia war es schon in der Nacht zum Donnerstag gewesen, als sie Michael und Katja über das Ende des Schatzabenteuers informiert hatten.
»Michael Zylinski?«
»Hallo Micha, hier ist Frank. Ich bin gerade in London gelandet und muss mir einen Weiterflug nach Hamburg buchen.«
»Ja, gut«, sagte Michael.
»Ist Katja bei dir?«
»Ja, willst du sie sprechen?«
»Nein.«
Schweigen.
Dann sagte Frank: »Ich meinte eben, ist Katja immer noch bei dir?« Er betonte die Worte »immer noch«.
Zehn Sekunden Schweigen. Dann hielt Michael es nicht mehr aus.
»Ich habe dir doch gesagt, Katja macht sich Sorgen, weil du so lange weg bist. Du hast gesagt, ich soll sie beruhigen … und ich wollte wirklich nicht …«
»Schon gut«, unterbrach ihn Frank. »Wir können in Hamburg darüber reden. Ich glaube, ich bleibe noch das Wochenende über in London. Ich muss mir überlegen, was ich weiter machen soll. Ich melde mich bei dir, wenn ich wieder in Hamburg bin.«
»Tu das«, sagte Michael.
Das Gespräch war beendet.
Melde dich, wenn du es dir anders überlegst, hatte Peter gesagt. Er dachte an Peter und Christine. Dann dachte er an Michael und Katja, seinen besten Freund in Hamburg und seine Freundin.
Sie würden darüber hinwegkommen.
Er stand noch immer auf dem Gehsteig und rührte sich nicht. Seit zehn Minuten machte er keine Anstalten, den Platz vor den Taxis zu verlassen, obwohl die Fahrer der neu eintreffenden Wagen ihn auf der Suche nach einem Fahrgast prüfend musterten. Aber Frank stand nur da und guckte in die Luft. Die hohen Wolkentürme gaben ein Stück blauen Himmel frei. Er schaute nach oben. Als sich eine weiße Wolkenwand vor den blauen Himmel schob, beobachtete er wieder den Strom der ständig wechselnden Taxis.
Eine Woche mit einer Schatzjagd um die halbe Welt lag hinter ihm, die im Ergebnis nichts eingebracht hatte. Jedenfalls nichts Zählbares. Sein Kontostand war immer noch bei minus fünfzehntausend Euro. Immerhin hatte Kenneth McCully sein großzügiges Versprechen gehalten und war für alle Unkosten aufgekommen. War ja auch nicht so abwegig, nachdem er ihnen die ganze Zeit über nur die halbe Wahrheit erzählt hatte. Seine Vergangenheit war voll mit dunklen Flecken, aber mit seinem Verhalten auf Wavy Island hatte er gezeigt, dass ihn nicht nur die Habgier trieb, wie Daniel Einstein McGuffin, Gloria Marie Curie McGinnis und Ronald Mr. Van van Bronckship. McCully war vor allem neugierig gewesen. Sein unermüdlicher Wissensdrang hatte ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Und wer wusste schon, was er noch vorhatte, denn das Ergebnis ihres Ausflugs nach Nova Scotia hatte McCully ganz und gar nicht zufriedengestellt. Wenn er auch nach dem Verhör von Gloria McGinnis nichts mehr dazu gesagt hatte, glaubte Frank nicht, dass er aufhören würde, nach dem geheimnisvollen Schatz von Wavy Island zu suchen.
Ein weiteres Taxi fuhr Frank fast über die Füße. Er tat, als bemerke er den fragend winkenden Fahrer nicht, sondern blickte über das Auto hinweg in den Himmel über London.
Wieder eine breitwandige weiße Haufenwolke und daneben ein großes Stück blauen Himmels. Frank wartete. Er wartete fünf Minuten, dann zehn Minuten. Er beobachtete weiter die Taxis. Nach weiteren fünf Minuten war die Wolkenwand vorbeigezogen, und die Sonne war wieder zu sehen.
Eines der Taxis, das jetzt auf der Suche nach Kundschaft vorbeifuhr, gehörte zum Londoner Quiz-Cabs-Service. Frank las die Nummer der Taxizentrale von der Seitentür ab, griff zu seinem Handy und wählte.
»Quiz-Cabs-Service. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte gern einen Wagen für Heathrow, Terminal 4«, sagte er, »Wagen 1: 5, Tracy, bitte.« Er wartete gespannt auf die Antwort.
»Einen Moment, bitte.« Er hörte im Hintergrund die Geräusche der Taxizentrale. Mehrere undeutliche Stimmen, die eine verschwommen brummend, die andere mit Anweisungen, jedes einzelne Wort betonend. Dann eine deutliche Stimme:
»Hallo Tracy, wo steckst du? Nummer 1: 5, du wirst angefordert.«
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Sogar aus der summenden Geräuschkulisse der Taxizentrale hörte Frank ihre Stimme heraus.
»Wo schon. Im Stau.
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