Silberfieber
welcher Seite? Er dachte schon so, als sei er in einem schlechten Kriminalfilm gelandet. Aber vielleicht war er das ja auch. Am besten, ich schaue mal in der Baker Street bei Sherlock Holmes vorbei, dachte er und grinste schief in sich hinein.
Nein, zu Sherlock Holmes würde er nicht gehen, aber noch länger in Peters Arbeitszimmer zu sitzen, machte auch nicht viel Sinn. Frank beschloss, sich in den Straßen nach einem Internetcafé umzusehen. Immerhin bestand ja die Möglichkeit, dass er noch schneller als Michael in Hamburg etwas herausfinden würde.
Er steckte sein Handy ein, um für Michael und Peter erreichbar zu bleiben, versteckte die Landkarte notdürftig auf dem obersten Bücherregal, verschloss das Büro mit Peters Zweitschlüssel und verließ das Institutsgebäude.
13
Draußen auf dem Campus ging es immer noch nicht viel lebhafter zu als am Morgen. In vielen Fenstern waren schon jetzt am frühen Nachmittag des grauen Novembertages die Lampen eingeschaltet. Es wurde anscheinend trotz des Wochenendes eifrig gearbeitet.
Unschlüssig, welche Richtung er einschlagen sollte, blickte Frank zu dem imposanten Kuppeldach des Britischen Museums hinauf. Es bildete den Abschluss des gewaltigen viktorianischen Gebäudes, das Mitte des 19. Jahrhunderts zur Blütezeit des British Empire errichtet worden war. In dem weitläufigen Eingangsbereich mit dem im neoklassizistischen Stil gehaltenen griechischen Tempel und seinen hohen Säulen spiegelte sich noch immer der koloniale Geist der Unbesiegbarkeit des Rule Britannia wider.
Frank überlegte kurz, sein Glück in der British Library zu versuchen, entschied sich dann aber anders, weil er wusste, dass er dann den ganzen restlichen Nachmittag damit verbringen würde, sich in den unendlichen Weiten der riesigen Bibliothek zurechtzufinden, bevor er überhaupt mit der eigentlichen Suche nach neuen Hinweisen beginnen konnte.
Er eilte die Tottenham Court Road in Richtung Norden hinauf in der Hoffnung, in den kleinen Seitenstraßen des University College möglicherweise ein Internetcafé zu sehen, wo er sich ins Netz einloggen konnte.
Nach einer halben Stunde war er schon an zwei solcher Cafés vorbeigekommen, die allerdings wenig mehr als Ladenlokale waren, in denen sich ein Computer an den anderen reihte.
In beiden Cafés waren alle Tische besetzt, und als er die anderen mit Umhängetaschen und Rucksäcken am Eingang wartenden Studenten bemerkte, die ihn alle ausgesprochen freundlich anlächelten, dämmerte es ihm, dass es wohl mit seinem Vorhaben so schnell nichts werden würde.
Er setzte seinen Spaziergang in Richtung des Parks am Ende der Straße fort. Je näher Frank kam, desto weitläufiger wurde die halbkreisförmige Grünfläche, und er erkannte den Eingangsbereich des Regent Parks, des riesigen Londoner Freizeitareals. Plötzlich sah er vor einer noblen viktorianischen Villa einen der typisch englischen Schildertürme mit zahlreichen kleinen Hinweistafeln stehen. Sie waren zur Orientierung für die Touristen aufgestellt worden. Man konnte auf ihnen die Richtung, die Entfernung und die Gehminuten zu den umliegenden Attraktionen Londons ablesen.
Madame Tussaud’s 10 min., las er, und darüber: Baker Street 15 min.
»Das muss wohl Vorsehung sein«, dachte er und wollte sich schon in Richtung Baker Street aufmachen, als sein Handy klingelte. Es war nicht Michael, sondern Peter, der sich zurückmeldete.
»He Frank, ich bin wieder in der Uni, wo treibst du dich rum?«
»Ich wollte mir einen Rat von einem unfehlbaren Experten holen«, antwortete Frank, »und bin unterwegs zur Baker Street Nr. 221 b.« Peter lachte laut auf.
»Das kannst du vergessen, der alte Sherlock Holmes kann uns auch nicht weiterhelfen. Ich habe nie gehört, dass er zur See gefahren ist.«
Frank erzählte Peter seinen eigentlichen Plan und von den Koordinaten und der Zahl 1912, die auf der zweiten Kartenschicht zum Vorschein gekommen waren.
»Die Karte liegt oben bei dir auf dem Bücherschrank, sieh sie dir am besten noch mal an. Ich habe Michael in Hamburg auch schon alles erzählt und ihn auf die Fährte gesetzt. Eigentlich müsste er sich schon längst gemeldet haben. Ich gehe jetzt mal zur nächsten U-Bahn-Station und fahre zurück.«
Aber Peter hielt ihn auf.
»Ich glaube, da wo du gerade bist, ist keine Station in der Nähe. Ich habe außerdem eine bessere Idee. Wenn du jetzt schon auf der Straße nach einer Erklärung für diese Koordinaten suchst, geh doch einfach rüber zu
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