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Silberhuf

Silberhuf

Titel: Silberhuf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Winnington
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sagte ich, „hier schlafen, mit all diesen Buddhas und Heiligenbildern da unten?“
    „Sicherer als der Jeep.“ Mein Vater legte seinen Arm um meine Schultern. „Sieh mal her, wir lassen die Falltür runter, verriegeln sie mit diesem Querbalken, und fertig ist das Nest; ganz behaglich. Übrigens, diese Figuren sind nichts weiter als Holz und Metall.“
    Als wir aus dem Haupteingang heraustraten, um einige Dinge aus dem Jeep zu holen, entdeckte ich am Ende des Gebäudes noch eine Tür. Wir hätten sie fast übersehen, denn ein Teil lag im Schatten, und der andere war vom Flugsand verdeckt. Nachdem wir den Sand mühsam beiseite geräumt hatten, ließ sich die eisenbeschlagene Tür ganz leicht öffnen.
    Im Inneren, halb von der Dunkelheit verschluckt, stand ein blaßgrünes Pferd, das uns mit glänzenden gelben Augen ansah. Der unerwartete und lebendige Anblick des Tieres versetzte mir einen Schock. Entweder war es ein Bildnis oder ein Modell aus Bronze, das im Laufe der Zeit eine wunderschöne grüne Patina angenommen hatte.
    Mein Vater leuchtete mit der Taschenlampe die von Menschenhand in den Fels gehauene Höhle ab. Aus einem der seitwärtsaufgestapelten handgewebten Säcke war stockige Gerste herausgerieselt. Gegen die Rückwand gelehnt, standen einige festverschnürte Bündel aus ungegerbtem Leder.
    „Vielleicht ist der Schatz da drin, in einigen dieser Lederbeutel“, gab ich voller Hoffnung zu verstehen.
    „Dem Gestank nach zu urteilen, glaub ich eher an uralte Butter“, antwortete Vater und riß einen Beutel mit dem Messer auf.
    Er hatte recht. Butter, das heißt — es war mal welche gewesen — alte Yakbutter, jetzt pulverig, blau und verrottet. Mein Vater ging zurück zu dem Pferd und tätschelte es.
    Da erklang ein tiefes metallenes Brummen.
    „Es ist wunderschön“, sagte mein Vater.
    Der Sattel war zu Staub vermodert und zerfiel in Stücke, sobald er ihn nur mit der Hand streifte.
    „Guck mal hier, Jack“, rief er aufgeregt, „ist das nicht seltsam, sieh nur, die Beine scheinen beweglich zu sein. Glieder wie an einer Ritterrüstung. Und so geschmeidig. Einmaliges Kunsthandwerk. Und schau mal, die Augen.“ Er benetzte eins mit seiner Zunge und wandte sich zu mir um. „Rauchtopas, allerdings nur ein Halbedelstein, aber herrliche, makellose große Exemplare und prachtvoll geschliffen.“
    Mein Vater blickte auf mich und ich auf das Pferd. Plötzlich glitt das Augenlid, das er mit seiner Zunge berührt hatte, über den Augapfel nach unten und schnellte danach wieder zurück. Es sah so aus, als hätte mir das Pferd zugezwinkert.
    „Was ist los?“ fragte mein Vater und wandte sich zum Pferd um. Aber die Pferdeaugen sahen aus wie immer. Er glaubte mir nicht. Aber als er das andere Augenlid mit seinem Finger berührte, blinzelte dies Auge ihn an.
    „Ein toll ausgeklügelter Mechanismus, das muß ich sagen.“
    Mir wurde bange. Über dem ganzen Lamakloster schwebte ohnehin schon so eine gespenstische Atmosphäre — und nun auch noch das. „Komm her, und sieh dir das an“, rief Vater von der anderen Seite des Pferdes und hielt eine Handkurbel hoch. Die sah so aus wie von einem Leierkasten oder von einer alten Kaffeemühle, nur viel größer, beinah zwei Fuß lang und sehr robust. Der Kurbelgriff hatte ein viereckiges Loch, das auf einen viereckigen Zapfen passen mußte. In der Mitte war der Griff gebogen wie der Buchstabe S. Beim Abtasten der Flanken stieß ich auf den Zapfen. Er ragte an der Seite des Tieres unterhalb des verrotteten Sattelendes deutlich hervor. Als Vater rüber kam, um die Kurbel aufzusetzen, stolperte er über etwas aufdem Fußboden, das klirrte. Einer der Steigbügel. Als Vater den Staub abgewischt hatte, glänzte er gelb.

    „Gold“, flüsterte er. Ich rieb den Staub von einer Sattelschnalle. Dasselbe.
    „Wie mag das Pferd nur hierhergekommen sein?“ fragte Vater verwundert. „Es ist ein Kunstwerk aus dem Mittleren Osten, das könnte ich schwören. Wie ist es nur in diese gottverlassene Gegend geraten, so weit von zu Hause?“
    Im Licht von Vaters Taschenlampe glänzten die Hufe schwarz. Er bückte sich, um einen abzureiben, und sagte: „Hab ich mir’s doch gedacht, Silber. Sogar abgenutzt, so als ob das Pferd damit gelaufen ist. Wer weiß, ob . . .“
    Mein Vater hielt inne und sah sich im gleichen Augenblick um wie ich. Die Tür knarrte. Dann quietschte sie in den Angeln und schlug heftig zu. In meinem Kopf blitzte sofort das Bild von einem Schneemenschen auf, der

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